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Format
Blog
Date
23. Januar 2019

Auf den Strom kommt es an

Nur mit E-Autos kann eine klimafreundliche Verkehrswende gelingen. Aber noch tragen auch sie eine ökologische Last - die Bundesregierung hat die Pflicht, diese zu mindern.

Auf den Strom kommt es an

Bei der Debatte über die Mobilität der Zukunft ist es fast wie bei der Aufstellung der Fußball-Nationalelf: Es gibt Millionen Experten. Und schnell kreist die Diskussion um eine Frage: Elektroauto, Heilsbringer oder Beelzebub? Mal geht es darum, ob Batterie-Fahrzeuge in punkto Klimaschutz besser abschneiden als Verbrenner, mal geht es um die Bedingungen bei der Gewinnung der Rohstoffe, mal ums Recycling, mal um die Abhängigkeit von ausländischen Batterielieferanten. Um es vorweg zu nehmen: Im Kampf gegen den Klimawandel spielen Elektrofahrzeuge eine Schlüsselrolle. Sie sind aber nur ein Teil der Lösung.

Der Verkehr steuert rund ein Fünftel zu den CO₂-Emissionen bei. Angela Merkel, die sich einst den Ruf der "Klimakanzlerin" erwarb, hat deshalb recht mit ihrer Forderung nach eine Verkehrswende. Nur, außer dem schon Ende 2016 gefassten Beschluss, die CO₂-Emissionen des Verkehrs bis 2030 um mindestens 40 Prozent zu senken und bis 2050 nahezu klimaneutral mobil zu sein, ist davon wenig zu spüren. Im Gegenteil: Die verantwortlichen Politiker nehmen hin, dass die steigende Motorleistung neu zugelassener Pkws deren CO₂-Ausstoß rechnerisch wachsen lässt.

Dabei ist klar, dass die Verkehrswende Chefsache werden muss - allein schon deshalb, weil sich das Vorhaben politisch als noch anspruchsvoller erweisen wird als die Energiewende. Die Verkehrswende betrifft jeden. Sie ist mehr als eine technische Angelegenheit, mehr als eine Antriebswende. Gerade Autobesitzer in unseren Städten werden Abschied von Alltagsroutinen nehmen müssen - mit dem Ziel, den Energieverbrauch des Verkehrs zu senken.

Tatsächlich verbraucht kein anderer Sektor der Wirtschaft mehr Energie als der Verkehr. Motorisierte Fahrzeuge verbrauchen sogar mehr als die gesamte deutsche Industrie, das meiste davon in Form von Mineralöl. Dafür klimaschonenden Ersatz zu beschaffen, ist kein Kinderspiel. Deswegen gibt es keine Verkehrswende, wenn Mobilität in Zukunft nicht mit weniger Energie auskommt. Einen Pkw mit weit mehr als einer Tonne Eigengewicht in Bewegung zu setzen, um Personen über oft nur kurze Distanzen zu befördern, kostet enorm viel Energie. Zumal dann, wenn im Durchschnitt nicht einmal zwei der vier oder fünf Sitzplätze genutzt werden.

Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglichen das gleiche Maß an Mobilität mit deutlich weniger Verkehr. Verschiedene Verkehrsträger lassen sich mit ihrer Hilfe vernetzen, Wege lassen sich bündeln und auf umweltverträgliche Verkehrsmittel verlagern. Nach Erkenntnissen des Internationalen Verkehrsforums (ITF), einem Zusammenschluss von 59 Verkehrsministern, kann dadurch im innerstädtischen Verkehr ein Drittel des Energieaufwandes vermieden werden.

Meint der Bundesverkehrsminister auch das, wenn er von "Mobilitätsrevolution" spricht? Dann sollte er die Bürger wissen lassen, wie er sich den politischen Rahmen dafür vorstellt.

Doch auch wenn wir mit der Mobilitätswende erfolgreich sein werden: Am Ende werden nach wie vor viele motorisierte Verkehrsmittel durch Deutschland kurven. Soll der Klimaschutz nicht ihr Opfer werden, dann werden sie in Zukunft CO₂-frei angetrieben werden müssen. Die einzige, nach Lage der Dinge im notwendigen Umfang dafür nutzbare Energiequelle ist Strom aus Wasser-, Wind- und Sonnenkraft. Zwar kann Strom in andere Energieformen umgewandelt werden, in Wasserstoff und sogar in synthetischen Kraftstoff, mit dem auch herkömmliche Verbrenner klimaverträglich mobil bleiben können. Doch so verlockend, wie sie zu sein scheint, ist diese Aussicht nicht; jede Energieumwandlung kostet selbst viel Energie. Unterm Strich benötigt deshalb ein mit synthetischem Diesel fahrender Pkw für jeden Kilometer fünfmal und ein Wasserstofffahrzeug zwei- bis dreimal so viel regenerativen Strom wie ein batterieelektrisches Fahrzeug, das den Strom ohne vorherige Umwandlung nutzt. Deshalb sind Elektroautos der Schlüssel für die effiziente Energiewende im Verkehr.

Es stimmt zwar: Noch fahren Elektroautos in Deutschland mit Strom, der zur Hälfte aus Kohle und Erdgas erzeugt wird. Hinzu kommt, dass die Herstellung von Batteriezellen viel Strom kostet und deshalb vor allem in den Ländern, in denen bisher das Gros der Zellen gefertigt wird (China, Japan, Korea), viel CO₂ entsteht. Ein E-Auto hat deshalb einen größeren ökologischen Rucksack als ein vergleichbarer Verbrenner; um diesen Nachteil wettzumachen muss es einige Tausend Kilometer mit CO₂-armem Strom zurücklegen. Dennoch sind Elektrofahrzeuge gegenüber Verbrennern unterm Strich im Vorteil, mal mehr, mal weniger.

Aus einer aktuellen Studie von "Agora Verkehrswende", die in Kürze veröffentlicht wird, geht hervor, dass ein E-Fahrzeug im Vergleich zu einem Benziner schon nach gut 60 000 Kilometern seinen aus der Produktion stammenden Klimanachteil wettgemacht und nach 150 000 Kilometern einen Klimavorteil von etwa 25 Prozent herausgefahren hat; dabei ist unterstellt, dass der deutsche Strommix, wie politisch vereinbart, von Jahr zu Jahr mehr Kilowattstunden aus erneuerbaren Energien enthält. Laut der Studie erreichen elektrische Stadtfahrzeuge mit kleinerem Akku den "Break even" schon nach weniger als 40 000 Kilometern, während Langstreckenfahrzeuge mit größerem Akku deutlich mehr fahren müssen, um in den grünen Bereich zu kommen.

Kein Zweifel, Batterieautos sind in punkto CO₂ schon heute im Vorteil, doch ebenso zweifellos ist ihre Klimabilanz weiter zu verbessern. Erstens muss der Fahrstrom noch klimaverträglicher werden. Diesem Ziel dient der schnellere Ausbau der erneuerbaren Energien. Deshalb sollte das im Koalitionsvertrag verabredete Vorhaben, den Anteil der Erneuerbaren an der Stromproduktion im Jahr 2030 auf 65 Prozent zu steigern, schnell umgesetzt werden. Zweitens muss die Herstellung der Batteriezellen klimaverträglicher werden. Verantwortlich für den ökologischen Rucksack der Elektroautos ist vor allem der hohe Strombedarf für die Zellfertigung. Weil der europäische Strommix CO₂-ärmer ist als der Strommix in den bisherigen Zellfertigungsländern, wäre die Ansiedlung von Batteriefabriken in Europa ein Schritt nach vorn. Der Standort Deutschland, für den sich der Bundeswirtschaftsminister stark macht, wäre unter diesem Aspekt allerdings zurzeit nicht die erste Wahl. Mit einem deutlich CO₂-ärmeren Strommix kann allerdings auch Deutschland als Standort für die klimaschonende Zellproduktion attraktiv sein. Dafür gilt es, den politischen Rahmen zu schaffen