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Format
Blog
Date
22. Juli 2021

Europa stellt auf Elektrobus um

So bereiten sich die EU-Mitgliedsstaaten auf das Ende des Dieselbusses vor

Michelle Waltring und Philipp Kosok

Die „Clean Vehicles Directive“ (CVD) der Europäischen Union setzt erstmals verbindliche Mindestziele für Neubeschaffungen emissionsarmer und CO2-freier Busse im ÖPNV. Bis 2. August müssen alle Mitgliedsstaaten die Richtlinie in nationales Recht umsetzen. Für die meisten Länder gelten die gleichen Quoten wie für Deutschland: 45 Prozent „saubere Fahrzeuge“ im Referenzzeitraum von August 2021 bis 2025 und 65 Prozent bis 2030. Mit sauberen Fahrzeugen meint die CVD Busse, die ohne Diesel auskommen. Auch der Einsatz von Gasbussen oder synthetischen Kraftstoffen ist möglich. Der Trend führt jedoch klar zum Elektrobus. Mindestens die Hälfte aller neuen sauberen Busse muss laut CVD auch ein Batterie-, Oberleitungs- oder Brennstoffzellen-Fahrzeug sein. Die Herausforderung liegt vor allem in der Finanzierung.

Anspruchsvollere Ziele in manchen Ländern und Städten

Wenige Wochen vor dem Start des ersten CVD-Referenzzeitraums hat der Deutsche Bundestag die CVD in nationales Recht umgesetzt. Nahezu alle Mitgliedsstaaten sind auf dem Weg, das Gesetzgebungsverfahren abzuschließen. Dabei wenden Länder wie Irland und Frankreich ein öffentliches Konsultationsverfahren an. Frankreich hat in nationalen Gesetzen bereits anspruchsvollere Ziele (100 Prozent emissionsarme Fahrzeuge ab 2025) als die europäische Richtlinie definiert. Während die EU-Richtlinie lediglich eine Quote für einen Mitgliedsstaat in seiner Gesamtheit vorsieht, passt die französische Gesetzgebung die bisherige Fahrzeugbeschaffung an Merkmale der Regionen an. Die Richtlinie ermöglicht diese flexible Art der Umsetzung in Absatz 19, wobei wirtschaftliche Kapazitäten, Luftqualität, Bevölkerungsdichte und weitere Merkmale der Verkehrssysteme berücksichtigt werden.

Mit dem Ziel, den ÖPNV-Busverkehr bis zum Ende des Jahrzehnts emissionsfrei zu gestalten, handeln Städte wie Berlin und Hamburg ambitionierter als die europäischen Vorgaben und verzeichnen schon heute 137 (Berlin) beziehungsweise 60 (Hamburg) Elektrobusse in ihrem Fuhrpark. Europäischer Vorreiter bei der Umstellung auf Elektrobusse sind die Niederlande: Bereits 2016 beschloss die Regierung in einer Vereinbarung mit den Verkehrsunternehmen, ab 2025 nur noch emissionsfreie Busse zu kaufen. Dies zeigt sich ebenso in Städten wie Leiden und Eindhoven, die ihre Busflotte bereits vollständig elektrifiziert haben.

Elektrobusse brauchen Förderung

Elektrobusse sind aktuell oft noch doppelt so teuer in der Anschaffung wie herkömmliche Dieselbusse. Somit spielt die Frage der Finanzierung eine große Rolle für Verkehrsunternehmen. Für die Finanzierung der Elektrobusse stehen Fördermittel auf EU-, Bundes- und Landesebene zur Verfügung. Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und der Kohäsionsfonds kommen als europäische Strukturfonds zum Einsatz. So erhielt Polen über 64 Millionen Euro vom Kohäsionsfonds, der die Anschaffung von 130 emissionsarmen Bussen und entsprechender Schnellladeinfrastruktur in Warschau finanzierte. Die Durchführung des EFRE läuft dabei über die Regionen, die dafür konkrete Förderrichtlinien für Verkehrsunternehmen und Kommunen in ihrem Gebiet erarbeiten.

Ein Beispiel ist die Förderung CO2-armer Mobilität in Thüringen, wo durch einen Zuschuss die Anschaffung von Fahrzeugen und der Aufbau einer Ladeinfrastruktur ermöglicht wird. Einige Regionen haben darüber hinaus eigene Initiativen als Subvention ins Leben gerufen, wie den Mobilitätsinvestitionsplan in Flandern oder die Landesinitiative III in Baden-Württemberg. Die nationale Ebene fördert die Anschaffung von Elektrobussen durch Pakete wie das „Sofortprogramm Saubere Luft“ in Deutschland. Das Bundesverkehrsministerium verkündete unlängst ein neues Bundesförderungsprogramm für Elektrobusse. Mit einem Fördervolumen von 1,25 Milliarden Euro werden dabei für Busse 80 Prozent und für die Ladeinfrastruktur 40 Prozent der Mehrkosten übernommen.

Neben klassischen Subventionen versuchen es einige Länder und Regionen auch mit innovativen Förderungen. In Frankreich ermöglicht die Investitionsplattform „Bus Propres“ durch variable Anleihen die Umstellung auf emissionsfreie Busflotten und finanziert so bis zu 100 Prozent der Kosten für Beschaffung und Ladeinfrastruktur. Der Zinssatz verläuft dabei parallel zur Strompreisentwicklung und ist nach unten und oben begrenzt. Für Kreditnehmer:innen bedeutet dies eine effektivere Risikoverteilung und eine Absicherung der Umstellung ihrer Busflotte.

Auf der anderen Seite des Atlantiks macht die Stadt Bogotá mit Maßnahmen auf sich aufmerksam, durch die Batteriesysteme im Rahmen eines Leasingmodells genutzt und Werbeflächen ausschließlich auf Elektrobussen vermietet werden können. Auch Santiago de Chile bringt öffentliche und private Akteure zusammen: Ein privates Energieunternehmen erwirbt sowohl die Elektrobusse als auch die Ladeinfrastruktur und least diese an das städtische Verkehrsunternehmen, welches die Busse sowie Terminals betreibt und wiederum das Unternehmen für die Energiebereitstellung bezahlt. Das System zahlt sich aus: Santiago hat seit 2019 die größte Elektrobusflotte in Lateinamerika.

Startschuss für Markthochlauf ist gefallen

Die Hersteller der Elektrobusse spüren bereits den Wandel. Der europäische Marktführer Solaris aus Polen lieferte allein letztes Jahr 457 Elektrobusse aus, was seinen Angaben zufolge 20 Prozent der E-Busse in Europa entspricht. Der Hersteller sieht sich von der CVD in der eigenen Geschäftsstrategie bestätigt und schreibt den steigenden Bedarf an Elektrobussen im ÖPNV der EU-Richtlinie zu. Wettbewerber wie Daimler, MAN oder Ebusco rechnen mit ähnlichen Zielquoten und bereiten sich auf konstantes Wachstum im Absatz von Elektrobussen vor.

Der weltweite Marktführer BYD expandiert seit dem Jahr 2017 nach Europa und belieferte bislang vermehrt Verkehrsunternehmen in den Niederlanden. Dabei sicherte sich der chinesische Hersteller den bisher größten europäischen Einzelauftrag über 259 Elektrobusse. BYD investiert gezielt in die europäische Produktion und will allein im Werk in Ungarn die Produktionskapazitäten verfünffachen, um der erwarteten steigenden Nachfrage nach Elektrobussen zu entsprechen.

Im Jahr 2019 lag der Anteil der Busse mit alternativem Antrieb (einschließlich Gas- und Hybridfahrzeugen) an den europaweiten Neuzulassungen bei 15 Prozent. 2020 stieg der Anteil weiter auf 27 Prozent. Der Anteil von elektrisch aufladbaren Bussen bei den Neuregistrierungen stieg dabei auf 6,1 Prozent. Die Niederlande verzeichneten einen Einkauf von 446 E-Bussen, gefolgt von Deutschland mit 388 und Polen mit 200 E-Bussen.

Der Trend ist eindeutig: Europa bereitet sich auf den Umstieg auf emissionsarme Busflotten vor. Der Dieselbus wird zum Auslaufmodell. Doch die Finanzierung erweist sich als schwierig, denn noch sind Elektrobusse deutlich teurer als herkömmliche Dieselbusse. Zusätzlich zu öffentlichen Geldern und klassischen Subventionen braucht es innovative Finanzierungsmöglichkeiten, um die CVD umzusetzen und emissionsarme Busflotten europaweit zum Standard zu machen. Eine neue Förderrichtlinie der Bundesregierung, die Verkehrsunternehmen in Deutschland bei den Mehrkosten für Elektrobusse entlasten soll, liegt aber weiterhin zur Prüfung bei der EU. Für das Erreichen der Klimaschutzziele im Verkehr ist es entscheidend, dass Bund und Länder die Verkehrsunternehmen mit den notwendigen Ressourcen ausstatten. Nur dann kann es gelingen, zeitgleich zur Antriebswende eine Mobilitätswende einzuleiten, mit der deutlich mehr Menschen anstelle des eigenen Autos die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen.

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