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Christian Hochfeld
Direktor
Macht euch endlich ehrlich!
Das Elektroauto wird kommen und der technologische Wandel wird Arbeitsplätze kosten. Es wäre trotzdem fatal für Deutschland, am Verbrennungsmotor festzuhalten.
Die deutsche Energiewende ist inzwischen allen ein Begriff und politisch soweit Konsens, dass ein Bekenntnis dazu in jedem Wahlprogrammen steht. Auch wenn über die Wege diskutiert wird, steht das Ziel inzwischen außer Frage: Die Union will an dem Projekt zum Atomausstieg und zum Klimaschutz "festhalten", die SPD will es "vollenden". Die Grünen wollen die Energiewende "wieder flott" machen, selbst die FDP will sie nicht einfach über Bord werfen, sondern sie zu einem "gesamteuropäischen Projekt" machen, und zwar auf der "Basis des Klimaschutzabkommens von Paris".
Aber ist allen bewusst, was die Beschlüsse von Paris darüber hinaus bedeuten? Sie bedeuten, dass auch der Verkehr in Zukunft vollständig ohne fossiles Öl und Gas auskommen muss: Ohne Verkehrswende keine Energiewende! Laut Beschluss der Bundesregierung in ihrem "Klimaschutzplan 2050" soll all das bis zum Jahr 2050 erledigt sein, also in gut drei Jahrzehnten.
Drei Jahrzehnte? Seit knapp drei Jahrzehnten trägt der Verkehr nichts zum Klimaschutz bei. Seine CO2-Emissionen sind heute auf dem gleichen Niveau wie 1990. Der Verkehr, im Wesentlichen der Straßenverkehr, ist nach den Kraftwerken nicht nur der zweitgrößte Emittent von Treibhausgasen; obendrein ist er sogar Deutschlands größter Energieverbraucher, noch vor dem verarbeitenden Gewerbe. Das offenbart, wie immens die Herausforderung ist, den Verkehr klimaneutral zu gestalten.
Diesel sind keine Klimaschützer
Momentan beschäftigt der sogenannte Dieselskandal die Republik. Dabei geht es zwar vor allem um gesundheitsschädliche Schadstoffe, vor allem um Stickoxide (NOx) und inzwischen um die Frage, ob letzten Endes auch verbotene Kartellabsprachen bewirkt haben, dass die Luft in vielen Städten nun schlechter ist als erlaubt. Es geht aber auch um den Klimaschutz.
Ohne den Diesel, dieser Eindruck wird jedenfalls gerne verbreitet, ist der Weg zum Klimaschutz im Verkehr noch schwerer als ohnehin. Richtig daran ist, dass Dieselmotoren im Vergleich zu Ottomotoren effizienter arbeiten. Obwohl Dieselkraftstoff mehr Kohlenstoff enthält als Benzin, stößt ein Kompaktwagen mit Dieselmotor deshalb weniger CO2 aus als ein vergleichbarer Benziner. Tatsächlich aber werden seit Längerem besonders die größeren, die schwereren und die PS-stärkeren Fahrzeuge mit den Selbstzündern ausgerüstet. Das Kraftfahrtbundesamt stellte deshalb schon vor Jahren fest, dass der CO2-Wert von neu zugelassenen Dieseln seit 2006 etwas höher ist als der von neu zugelassenen Benzinern; dass Diesel damit insgesamt kaum zum Klimaschutz beitragen, zu diesem Schluss kam vor Kurzem noch einmal das Umweltbundesamt.
Beim bevorstehenden Dieselgipfel müssen sich also endlich nicht nur die Hersteller ehrlich machen, indem sie ihre Fahrzeuge mit wirksamer Abgastechnik nachrüsten – und nicht nur mit einem Softwareupdate nachbessern; ehrlich machen muss sich auch die Politik. Dazu gehören zwei Erkenntnisse.
Erstens: Die viel zu hohen Stickoxidemissionen sind kein technisches, sondern ein ökonomisches Problem. Die motornahe Nachbehandlung der Abgase ermöglicht durchaus niedrige Emissionsniveaus, macht den Diesel aber spürbar teurer.
Auch batterieelektrische Fahrzeuge haben Nachteile
Zweitens: Der Diesel hat zwar für eine Übergangszeit noch das Potenzial zum Klimaschützer, aber nur, wenn die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, zum Beispiel über die Angleichung der Steuer auf Benzin und Diesel. Das wäre auch ein wichtiger Schritt in Richtung Antriebssystem der Zukunft.
Tatsächlich neigt sich nach Lage der Dinge die Ära des Verbrennungsmotors dem Ende zu. Auch er kann zwar klimaneutral betrieben werden – aber nur, wenn er mit synthetischem Kraftstoff gespeist wird, der auf der Basis von regenerativ erzeugtem Strom erzeugt wird. Die Herstellung dieses Kraftstoffs, der in Automobilerkreisen schon als "Wunderdiesel" bezeichnet wurde, kostet allerdings selbst an Standorten, wo erneuerbare Energien in Zukunft am günstigsten zu haben sein werden, zum Beispiel in Nordafrika, wegen der großen Energieverluste beim Herstellungsprozess rund 1,50 Euro pro Liter, vor Steuern. Zum Vergleich: Herkömmlicher, fossiler Kraftstoff ist aktuell für weniger als 40 Cent zu beschaffen.
Es gibt Alternativen zum Verbrennungsmotor
Allein deshalb macht das Autofahren nicht nur energetisch ineffizient, sondern auch deutlich teurer (und damit womöglich zu einem Privileg von Besserbetuchten), wer zu lange auf die Zukunft des Verbrennungsmotors setzt. Tatsächlich kann das Märchen vom billigen Verbrenner nur bei jenen verfangen, die den Gesundheits- und Klimaschutz nicht ernst nehmen. Solange jedoch ambitionierter Klimaschutz auf der Tagesordnung der Weltpolitik steht, wird fast täglich eine Alternative zum Verbrennungsmotor attraktiver: das batterieelektrische Fahrzeug.
Ein Fahrzeug mit Stromsteckdose ist so klimaverträglich wie die Kilowattstunden, die es antreiben. Je CO2-ärmer die Stromerzeugung wird, desto sauberer sind Elektrofahrzeuge unterwegs. Jedes zusätzliche Windrad, jede zusätzliche Kilowattstunde aus neuen, immer billiger werdenden Fotovoltaikanlagen schlägt sich deshalb unmittelbar in einer Verminderung der Emissionen nieder, die den E-Autos zuzurechnen sind. Ein ähnlicher Dekarbonisierungsprozess ist bei den flüssigen oder gasförmigen Kraftstoffen für Pkw-Verbrennungsmotoren nicht in Sicht – Begründung siehe oben.
E-Autos? R.I.P.
Allerdings haben auch batterieelektrische Fahrzeuge einige Nachteile, für die sich die Abkürzung R.I.P. eingebürgert hat – Reichweite, Infrastruktur, Preis. Vom Ruhen in Frieden kann also keine Rede sein: Erstens empfinden viele Menschen die Reichweite der E-Fahrzeuge als zu gering, obwohl die meisten täglich weniger als 50 Kilometer mit dem Auto unterwegs sind, was jedes Elektroauto leicht schafft. Zweitens ist das Netz von Ladepunkten nicht dicht genug. Und drittens sind E-Fahrzeuge deutlich teurer als herkömmliche Pkw. Ein E-Golf kostet rund 30 Prozent mehr als ein vergleichbarer Diesel oder Benziner. Das bremst den Erfolg der E-Fahrzeuge – nach Lage der Dinge allerdings aber nur vorübergehend.
Tatsächlich hat die Weiterentwicklung der Akkutechnik die Reichweite bereits steigen lassen, zur Not tun das auch sogenannte range extender, kleine benzingetriebene Stromgeneratoren, die den Dienst übernehmen können, wenn die Batterie leer ist. Tatsächlich wird die Ladeinfrastruktur nun endlich ausgebaut, mit öffentlichem und mit privatem Geld. Und tatsächlich sind die Batteriekosten in den vergangenen Jahren bereits rapide gesunken, während ihre Energiedichte gestiegen ist – und während Verbrenner wegen der Abgasproblematik eher teurer werden.
Das teuerste Bauteil von Elektrofahrzeugen ist dennoch nach wie vor die Batterie. Weil ihre Kosten allerdings einschlägigen Prognosen zufolge (beispielsweise von Bloomberg New Energy Finance) weiter sinken, werden Elektrofahrzeuge Mitte der 2020er Jahre vermutlich nicht mehr teurer sein als herkömmliche Pkw. Immer mehr Autobauer haben angekündigt, Elektrofahrzeuge sogar bereits ab 2020 zum gleichen Preis verkaufen zu wollen wie vergleichbare Verbrenner. Bei Reparatur und Wartung sind E-Fahrzeuge ohnehin günstiger – zum einen, weil sie viele reparaturanfällige Teile nicht mehr benötigen (z. B. Auspuff, Kupplung, Getriebe), zum anderen, weil der kostenträchtige Wechsel von Öl und Kühlmittel, von Zahnriemen sowie von Zünd- oder Glühkerzen ausgeschlossen und der Bremsenverschleiß deutlich niedriger ist.
Es ist an der Zeit, mehr Windräder zu bauen
Es ist nicht so, dass sämtliche Herausforderungen der Elektromobilität gelöst wären. Selbstverständlich muss der Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung schneller vorangehen, als es die Bundesregierung momentan plant. Selbstverständlich muss die Rohstoffversorgung für die Elektromobilität sozial- und umweltverträglich erfolgen, was ein umfassendes Recycling beispielsweise der Batterien einschließt. Selbstverständlich muss auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur beschleunigt werden – ebenso wie der der örtlichen Stromverteilnetze. Damit sie nicht überlastet werden, wenn viele E-Autos gleichzeitig Strom tanken, müssen Anreize zum intelligenten Laden geschaffen werden. Doch dafür hält die Marktwirtschaft seit Langem einen eleganten Mechanismus bereit: die Preise.
Was viele Menschen umtreibt, ist der industrielle Strukturwandel, der mit dem technischen Fortschritt im Automobilbau, der Antriebswende, einhergeht. Wie in der Vergangenheit schon so häufig sind es wieder einmal die vermeintlich gefährdeten Jobs, die dafür herhalten sollen, den Verbrennungsmotor zu retten und die gegen Klimaschutz und Strukturwandel gestellt werden: Es geht um mehr als 600.000 Arbeitsplätze, so die Botschaft einer vor Kurzem vom ifo-Institut im Auftrag des Verbandes der Automobilindustrie angefertigten Studie.
Der Verbrenner wird mehr Arbeitsplätze kosten als der E-Antrieb
Es stimmt, die Herstellung von Elektroautos ist weniger arbeitsintensiv als die von Verbrennern. Motor und Getriebe von Letzteren bestehen aus rund 1.400 Teilen, bei einem E-Auto sind es samt Getriebe lediglich etwa 200 Teile. Wer die ifo-Studie genau liest, trifft allerdings schnell auf Sätze wie diesen: "Ob tatsächlich Arbeitsplätze in diesem Umfang wegfallen würden, hängt von der Anpassungsfähigkeit der hierzulande ansässigen Automobilhersteller und Zulieferer ab." Tatsächlich muss nicht jeder Arbeitsplatz, der in der Zukunft nicht mehr im Autobau gebraucht wird, verloren sein. Die Zulieferer haben bereits begonnen, ihr Produkt- und Kundenportfolio anzupassen und sich damit zukunftssicher zu machen.
Das Gebot der Stunde ist nicht die Verteidigung des Status quo. Denn der Strukturwandel in der Automobilindustrie, der das über 125 Jahre optimierte Geschäftsmodell der Branche auf den Kopf stellen wird, hat international längst begonnen. Gefragt ist deshalb jetzt Flexibilität, um den sich verändernden Bedingungen im weltweiten Geschäft mit Automobilen gerecht zu werden. China, der weltweit größte Absatzmarkt für Fahrzeuge, verlangt bereits per Quote emissionsfreie Autos, die nach Lage der Dinge nur batterieelektrisch angetrieben sein können. Indien, schon bald das bevölkerungsreichste Land, plant von 2030 an nur noch Elektrofahrzeuge zuzulassen. In Frankreich, in Großbritannien, in weiten Teilen der USA, an der Spitze in Kalifornien und damit auf den Absatzmärkten von Deutschlands Autokonzernen, geht der Trend weg vom Verbrennungsmotor. In der Dekade zwischen 2030 und 2040 wird sich der Markt für diese Technologie wohl weitgehend schließen. Kann die deutsche Industrie führend bleiben, wenn man auf dem Heimatmarkt noch lange auf die Weiterentwicklung des Verbrenners setzt? Wohl kaum. Wenn die Autoindustrie international Absatzmärkte für den Verbrennungsmotor verliert, gehen noch mehr Arbeitsplätze verloren als bei einer Umstellung auf den E-Antrieb.
Bezeichnenderweise ist es ein chinesisches Sprichwort, das sagt: Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windräder. Es ist an der Zeit, mehr Windräder zu bauen – für die Elektromobilität und für die Sicherung der Arbeitsplätze am Industriestandort Deutschland.
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