Dieselalternative HVO: Ob in Reinform oder als Beimischung macht für Klimabilanz keinen Unterschied
Faktencheck von Agora Verkehrswende zum neuen Biokraftstoff HVO100 / Zusätzliche CO2-Einsparung wegen knapper Rohstoffe und Nachweisrisiken nur begrenzt möglich / Geschäftsmodell vorübergehend eher im Güterverkehr denkbar
10. Dezember 2024. Der seit Ende Mai für den Verkauf an Tankstellen zugelassene rein biologische Dieselkraftstoff HVO100 bringt im Vergleich zur HVO-Beimischung aktuell keine zusätzlichen CO2-Einsparungen für den Verkehrssektor. Das Einsparpotenzial wird auch in Zukunft begrenzt bleiben, weil sich der Nachschub an Rohstoffen wie Altspeiseöle aus der Gastronomie, zum Beispiel gebrauchtes Frittierfett, oder tierische Abfälle aus der Lebensmittelindustrie kaum ausbauen lässt. Die Rohstoffe werden außerdem dringender im Luftverkehr gebraucht, vorübergehend wäre auch ein Geschäftsmodell im Güterverkehr denkbar. Das geht aus einem Faktencheck des Thinktanks Agora Verkehrswende hervor.
HVO basiert auf Ölen und Fetten, die in Verbindung mit Wasserstoff zu Kraftstoffen verarbeitet werden. Mineralölunternehmen können damit ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Reduktion von Treibhausgasemissionen nachkommen. Vor der Zulassung von HVO100, das zu 100 Prozent aus HVO besteht, wurde der Biokraftstoff bereits herkömmlichem Diesel beigemischt.
Im Jahr 2022 betrug die HVO-Beimischung in Deutschland etwa zwei Prozent am verkauften Diesel, obwohl bis zu 26 Prozent erlaubt waren. Mehr ist laut Agora Verkehrswende mit den verfügbaren Rohstoffen kaum zu erwarten. Daher mache es für die CO2-Bilanz im Verkehrssektor keinen Unterscheid, ob HVO beigemischt oder in Reinform genutzt wird. Mit HVO100 würden die Rohstoffe zwar anders genutzt, aber es würde in Summe nicht mehr fossiler Diesel ersetzt und deshalb auch nicht mehr CO2 eingespart.
Umweltrisiken durch falsch deklarierte Rohstoffe
HVO steht für „hydrierte Pflanzenöle“ (Englisch: Hydrotreated Vegetable Oils). In der Praxis können auch Rohstoffe tierischen Ursprungs verwendet werden. Kommen nur Rest- und Abfallstoffe zum Einsatz, sind im Vergleich zum fossilen Diesel unter optimalen Bedingungen CO2-Einsparungen von bis zu 90 Prozent möglich. Bei der Verarbeitung von Ölen aus Lebens- und Futtermitteln oder aus Pflanzen, die extra für die Energiegewinnung angebaut werden, fallen die Einsparungen deutlich geringer aus.
Manche HVO-Importe stehen zudem im Verdacht, falsch deklariert zu werden. Palmöl soll in Asien im großen Maßstab als Palmölmühlabwasser ausgegeben, zu HVO verarbeitet und als vermeintlich besonders klimaschonender „fortschrittlicher Biokraftstoff“ unter anderem nach Europa exportiert worden sein. Die Ermittlungen dazu laufen. Wegen der Schäden an Natur und Umwelt durch den industriellen Palmölanbau gilt HVO aus Palmöl in der Europäischen Union nicht als Beitrag zum Klimaschutz.
Langfristig hohe Nachfrage im Luftverkehr
Anders als im Pkw-Verkehr zeichnet sich nach Einschätzung von Agora Verkehrswende eher im Güterverkehr ein vorübergehendes Geschäftsmodell für das im Vergleich zum Diesel bislang teurere HVO100 ab. Logistikunternehmen könnten mit der biologischen Dieselalternative nahezu CO2-neutrale Dienstleistungen anbieten und dies in ihren Nachhaltigkeitsberichten anführen. Je weiter die Umstellung auf batterieelektrische Lkw voranschreitet, desto mehr werde diese Nachfrage jedoch zurückgehen.
Eine langfristig hohe Nachfrage nach HVO-Kraftstoffen biete der Luftverkehr, weil dort batterieelektrische Antriebe kaum eine Alternative sind und ansonsten nur strombasierte synthetische Kraftstoffe für die Reduzierung der klimarelevanten Emissionen infrage kommen. Der Einsatz von HVO sei aber aus Nachhaltigkeitssicht nur dann vertretbar, wenn für die gesamte Liefer- und Wertschöpfungskette nachgewiesen werden kann, dass soziale und ökologische Standards eingehalten wurden.
Faktencheck „HVO100 – kurz erklärt“
Der Faktencheck „HVO100 – kurz erklärt. Zahlen und Fakten zu Kraftstoffen aus hydrierter Biomasse in Reinform und ihrer Bedeutung für den Klimaschutz im Verkehrssektor“ steht kostenlos zum Download zur Verfügung unter https://www.agora-verkehrswende.de/veroeffentlichungen/hvo100-kurz-erklaert.
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Philipp Prein
Leiter Kommunikation