Weichen stellen für einen zukunftsfähigen Schienenverkehr
Agora Verkehrswende veröffentlicht Empfehlungen zur Bahnpolitik / Finanzierung der Schieneninfrastruktur über das Sondervermögen noch zu klären / Bund braucht Eigentümerstrategie für Deutsche Bahn und Klimakriterien im Bundesverkehrswegeplan
Berlin, 9. April 2025. Zu den Zukunftsfragen der Bahnpolitik hat der Thinktank Agora Verkehrswende Empfehlungen für die künftige Bundesregierung veröffentlicht. Ziel aller Maßnahmen müsse sein, dass die Schiene ihren Beitrag zu einem klimaneutralen Deutschland leisten kann. Als Grundlage dafür sei eine auskömmliche Finanzierung der Investitionen in das Schienennetz unabdingbar. Einnahmen aus der Lkw-Maut sollten weiterhin in das Schienennetz fließen. Zudem empfiehlt der Thinktank, die Deutsche Bahn über eine Eigentümerstrategie mit verbindlichen Zielen zur Weiterentwicklung des Schienennetzes zu steuern und die Bundesverkehrswegeplanung auf Klimaneutralität auszurichten.
Wiebke Zimmer, Stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende: „Die kommende Bundesregierung hat die Chance, die Weichen für einen klimaneutralen Verkehr im Jahr 2045 zu stellen. Der Schienenverkehr spielt dabei eine zentrale Rolle. Über das Sondervermögen Infrastruktur steht mehr Geld zu Verfügung. Es braucht aber auch eine Langfriststrategie, wie die Mittel gezielt für die Stärkung des Wirtschaftsstandorts und für den Klimaschutz ausgegeben werden können. Priorität sollte die Sanierung und Modernisierung des Schienennetzes haben, gefolgt von Ausbauten für den Deutschlandtakt sowie dem Erhalt von Straßen und Brücken. Den Neu- und Ausbau von Straßen sollte der Bund hingegen zurückstellen.“
Zielbild für Klimaneutralität 2045 erarbeiten und Priorität auf Modernisierung setzen
Für die Studie „Weichenstellungen für die Bahnpolitik“ hat Agora Verkehrswende mit Expertinnen und Experten der Bahnbranche diskutiert und daraus Empfehlungen abgeleitet. Demnach solle die Bundesregierung zunächst die Grundlage für zukunftsfähige Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur schaffen, indem sie für eine auskömmliche Finanzierung sorgt. Hierbei gelte es, die eingeplanten Haushaltsmittel mit einem angemessen hohen Anteil aus dem neuen Sondervermögen Infrastruktur zu ergänzen. Außerdem sollte die Schuldenbremse reformiert werden, um eine dauerhaft tragfähige Finanzierungsstruktur für die Verkehrswende zu schaffen. Auch Mauteinnahmen müssten verlässlich einen Teil zur Finanzierung der Schiene beitragen.
Für die Bundesverkehrswegeplanung seien Annahmen für ein klimaneutrales Verkehrssystem 2045 zu erarbeiten und Investitionen entsprechend auszurichten, so der Thinktank. Mit einem solchen Zielbild würden viele Schienenprojekte gegenüber dem Straßenausbau priorisiert. Geplante, noch nicht in Bau befindliche Infrastrukturprojekte, die mit dem Zielbild nicht vereinbar seien oder ihm entgegenliefen, müssten verworfen werden.
Auch wenn in der Politik der vergangenen Jahre viel vom Netzausbau die Rede war, habe de facto eine Dekade der Sanierung begonnen. Angesichts der knappen Bauressourcen und großen Herausforderungen für ein verbessertes Bahnangebot müssten Prioritäten gesetzt werden. Das bedeutet, sich bei den Planungs-, Bau- und Finanzressourcen auf die Sanierung und Modernisierung des Hauptstreckennetzes zu konzentrieren, gefolgt vom Ausbau des Streckennetzes für den Deutschlandtakt. Streckenreaktivierungen sollten nur in wenigen Fällen bei besonders günstigen Nutzen-Kosten-Verhältnissen verfolgt werden. Klein- und Mittelzentren ohne Schienenanschluss sollten stattdessen durch Schnellbusverbindungen versorgt werden.
Personenverkehr auf Deutschlandtakt ausrichten und Schienengüterverkehr stärken
Um die Schiene besser für ein klimaneutrales Verkehrssystem aufzustellen, empfiehlt Agora Verkehrswende eine stärkere Steuerung der Deutschen Bahn durch den Bund. Die Bundesregierung solle dafür eine Eigentümerstrategie entwickeln und öffentlich zugänglich machen. Diese Strategie sollte der Deutschen Bahn vorgeben, das deutsche Schienennetz für den sogenannten Deutschlandtakt weiterzuentwickeln. Beim Deutschlandtakt werden die Fahrpläne nicht durch die verfügbare Schieneninfrastruktur bestimmt; stattdessen wird die Infrastruktur anhand eines optimierten Zielfahrplans ausgebaut. Die Bundesregierung solle konkrete Etappen für dessen Ausbau definieren und verbindlich festschreiben. Gleichzeitig seien Ziele für die Grundversorgung von Verkehrsbedürfnissen, Klimaschutz und Verkehrsverlagerung auch für die Bahntöchter notwendig.
Elisabeth le Claire, Projektleiterin bei Agora Verkehrswende: „Es braucht jetzt zeitnah eine Eigentümerstrategie und mehr Transparenz darüber, was der Bund mit seinem Bahnunternehmen vorhat. Mit einem klaren Zielbild für das Schienennetz und schlüssigen Kriterien für die strategische Ausrichtung des Bahnkonzerns mit seinen Tochtergesellschaften können Verlässlichkeit, Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz besser erreicht werden.“
Um den Schienengüterverkehr zu stärken, empfiehlt Agora Verkehrswende unter anderem, die stark gestiegenen Trassenpreise zu reformieren. Die Bundesregierung solle zudem den kombinierten Verkehr von Bahn, Schiff und Lkw durch den Aus- und Neubau von Umschlaganlagen sowohl an den Seehäfen als auch im Binnenland fördern. In der Förderung des Einzelwagenverkehrs sieht der Thinktank eine Übergangslösung auf dem Weg zu einem effizienteren System. Er sei zwar aufwändig, aber für bestimmte Branchen wie die Stahl- und Chemieindustrie bislang unverzichtbar. Zur Verbesserung solle die Bundesregierung die Einführung der Digitalen Automatischen Kupplung vorantreiben.
Hinweise für Redaktionen
Das Diskussionspapier „Weichenstellungen für die Bahnpolitik" steht kostenlos hier zum Download zur Verfügung. Neben den Handlungsempfehlungen von Agora Verkehrswende trägt es auch unterschiedliche Einschätzungen aus Fachkreisen zusammen. Die Interviews mit den Expertinnen und Experten führte Agora Verkehrswende in der Zeit von Juli 2024 bis März 2025.
Die Ergebnisse wird Agora Verkehrswende am Dienstag, den 29. April, ab 10:00 Uhr, in einer Online-Veranstaltung vorstellen und mit Expertinnen und Experten diskutieren. Hier kann man sich für die Veranstaltung anmelden.
Über Agora Verkehrswende
Agora Verkehrswende ist ein Thinktank für klimaneutrale Mobilität mit Sitz in Berlin. Im Dialog mit Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft setzt sich die überparteiliche und gemeinnützige Organisation dafür ein, die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor auf null zu senken. Dafür entwickelt das Team wissenschaftlich fundierte Analysen, Strategien und Lösungsvorschläge. Initiiert wurde Agora Verkehrswende Anfang 2016 von der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation. Gesellschafter sind die beiden Stiftungen. www.agora-verkehrswende.de
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