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Format
Diskussionspapier
Date
9. April 2025

Weichenstellungen für die Bahnpolitik

Einschätzungen und Empfehlungen zur Verbesserung des Schienennetzes, Steuerung der Deutschen Bahn und Förderung des Bahnverkehrs

Einleitung

Ob die Verschlankung des Bahnkonzerns, die Trennung von Netz und Betrieb oder Sanierungskonzepte für die Infrastruktur: Bestimmte Debatten der Bahnpolitik stehen seit vielen Jahren zu Beginn jeder Legislatur von Neuem auf der Agenda. Meist handelt es sich um Herausforderungen, die weder einfach noch schnell gelöst werden können. So lässt sich der Verschleiß der Bahninfrastruktur, der sich über Jahrzehnte herausgebildet hat, kaum von heute auf morgen beheben. Auch die Ineffizienzen in der weit verzweigten und komplexen Konzernstruktur der Deutschen Bahn AG sind nicht leicht zu überwinden. Die meisten Problemstellungen lassen sich nur langfristig und mit einer konsequenten Zukunftsstrategie lösen.

Die Ampelregierung hatte Reformen in Angriff genommen. Sie stockte die Mittel für den Ausbau des Schienennetzes deutlich auf, gründete die gemeinwohlorientierte Gesellschaft DB InfraGO und führte das Deutschlandticket sowie eine CO2-Abgabe bei der Lkw-Maut ein, deren Einnahmen zur Hälfte für das Schienennetz verwendet werden sollten. Aufgrund des vorzeitigen Koalitionsbruches konnten SPD, Grüne und FDP die Reformen jedoch nicht vollständig umsetzen.

Mit dem Sondervermögen Infrastruktur zeichnet sich nun auch ein erster Schritt in Richtung einer finanziellen Lösung für den Sanierungs- und Investitionsstau ab. Allerdings sind noch einige Fragen offen: allen voran die Höhe des Anteils für die Schiene und wie das Sondervermögen in eine ganzheitliche, auch mittel- und langfristig tragfähige Finanzierungsarchitektur für den Verkehr integriert werden kann. Offen ist auch, ob und wie die DB InfraGo ihren gemeinwohlorientierten Auftrag erfüllen wird und welche Führung die Deutsche Bahn AG benötigt, um zielgerichtet arbeiten zu können. Innerhalb der Bahnbranche werden diese Themen kontrovers diskutiert. Die Einschätzungen unterschiedlicher Expertinnen und Experten dazu gehen zum Teil stark auseinander.

Mit dieser Publikation greift Agora Verkehrswende die wichtigsten aktuellen und mitunter kontroversen Zukunftsfragen der Bahnpolitik auf – von der Verbesserung des Schienennetzes über die Steuerung der Deutschen Bahn bis zur Förderung des Bahnbetriebs. Dazu wurden im Zeitraum Juli 2024 bis März 2025 Interviews mit renommierten Expertinnen und Experten der Bahnbranche geführt. Neben Hintergründen zu den einzelnen Fragen gibt die Publikation die Einschätzungen der Interviewten zusammengefasst wieder. Basierend auf dieser Expertise leitet Agora Verkehrswende schließlich konkrete Handlungsempfehlungen für die kommende Bundesregierung ab. Als Orientierung für die Weichenstellungen in der Bahnpolitik dient dabei immer das Ziel, dass die Schiene ihren Beitrag zu einem klimaneutralen Deutschland leisten kann. 

Kernergebnisse

  1. Eine auskömmliche, überjährige und verlässliche Finanzierung der Schieneninfrastruktur ist die Grundlage für den Beitrag der Schiene zur Verkehrswende.

    Die jahrzehntelange Unterfinanzierung und der Sanierungsstau haben zu teils erheblichen Qualitätsverlusten geführt. Die derzeitige jährliche Bereitstellung finanzieller Mittel im Rahmen der Haushaltsbeschlüsse schafft nicht genug Sicherheit für Planungs- und Baufirmen. Um die Qualität des Schienennetzes wieder zu verbessern und die Transportkapazitäten zu erweitern, richtet der Bund eine mehr- und überjährige sowie verlässliche Finanzierungsarchitektur ein – zum Beispiel durch Einführung eines Fonds, der mit auskömmlichen Mitteln gespeist wird. Einnahmen aus der Lkw-Maut werden innerhalb der neuen Architektur weiterhin auch für Investitionen in den Schienenerhalt und -neubau genutzt.

  2. Der Bund steuert die Deutsche Bahn AG mit einer Eigentümerstrategie.

    Um die Schiene besser für ein klimaneutrales Verkehrssystem aufzustellen, nimmt der Bund eine stärkere Rolle bei der Steuerung der Deutsche Bahn AG ein. Die Grundlage dafür ist eine Eigentümerstrategie mit einem Zielbild für die Entwicklung des deutschen Schienennetzes sowie Kriterien für die Entwicklung des Bahnkonzerns. Als Zielbild für die Infrastruktur dient der Deutschlandtakt, für dessen Umsetzung konkrete Etappen festgelegt werden. Für die Steuerung baut der Bund mehr personelle Kapazitäten auf. Die Transformation der Infrastruktursparte innerhalb des DB-Konzerns hin zu mehr Gemeinwohlorientierung wird mit einem Arbeitsprogramm (Infraplan) für die DB InfraGO AG weiterentwickelt. Erfüllt die neue Infrastrukturtochter bis Mitte der 21. Legislaturperiode nicht die Erwartungen zur gemeinwohlorientierten Entwicklung des Schienennetzes, zieht der Bund die vollständige Überführung in eine unabhängige, staatliche Schienennetzgesellschaft in Betracht.

  3. Eine Bundesverkehrswegeplanung zugunsten des Klimaschutzes stärkt die Schiene.

    Bei der Bundesverkehrswegeplanung bewertet die Bundesregierung Projekte stärker anhand ihres Beitrags zum Klimaschutz im Verkehr. Dadurch werden in Zukunft viele Schienenprojekte gegenüber dem Straßenausbau priorisiert. Planungs-, Bau- und Finanzressourcen werden auf die Sanierung und Modernisierung des Hauptstreckennetzes konzentriert, gefolgt von Ausbauten für den Deutschlandtakt. Streckenreaktivierungen werden zunächst nur in wenigen, besonders günstigen Fällen verfolgt. Dafür sollten Klein- und Mittelzentren ohne Schienenanschluss zeitnah mittels Schnellbusverbindungen angebunden werden.

  4. Ein ÖPNV-Zukunftspakt sichert das Deutschlandticket dauerhaft ab.

    Bund und Länder legen den Preis und die finanziellen Zuschüsse für das Deutschlandticket für mehrere Jahre im Voraus fest, um den Fahrgästen und der ÖV-Branche Planungssicherheit zu bieten. Die Preisentwicklung orientiert sich an der langjährigen Inflationsrate. Das Deutschlandsemesterticket dient als Vorbild für ein bundesweit einheitliches, vergünstigtes Jugend- und Sozialdeutschlandticket. Die Bundesregierung bettet das Deutschlandticket in eine ÖPNV-Strategie ein und setzt dabei auf einfache und bezahlbare Tarife, die Gewährleistung einer bundesweiten Mobilitätsgarantie und den Ausbau und die Modernisierung überlasteter und veralteter Infrastrukturen. Für die Umsetzung der Strategie schließt der Bund einen ÖPNV-Zukunftspakt mit den Bundesländern und Kommunen.

  5. Einzelwagenverkehrsförderung bleibt eine Übergangslösung auf dem Weg zu einem effizienteren Schienengüterverkehr.

    Der Einzelwagenverkehr ist aufwendig, aber für bestimmte Branchen wie die Stahl- und Chemieindustrie bislang unverzichtbar. Zur Verbesserung wird die Einführung der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) vorangetrieben. Stellt sich im Betrieb mit der Kupplung heraus, dass der Einzelwagenverkehr unwirtschaftlich bleibt, werden zukünftige staatliche Fördermittel auf die Stärkung des Kombinierten Verkehrs konzentriert – von einer langfristigen Einzelwagenverkehrsförderung ist abzusehen. Zusätzliche, innovative Maßnahmen wie die Bündelung von Gleisanschlüssen über Railports ermöglichen in der Zwischenzeit weitere Effizienzsteigerungen. 

Bibliographische Daten

Autor:innen
Elisabeth le Claire, Philipp Kosok, Dr. Urs Maier
Publikationsnummer
126-2025-DE
Versionsnummer
2.0
Veröffentlichungsdatum

9. April 2025

Seitenzahl
50
Zitiervorschlag
Agora Verkehrswende (2025): Weichenstellungen für die Bahnpolitik. Einschätzungen und Empfehlungen zur Verbesserung des Schienennetzes, Steuerung der Deutschen Bahn und Förderung des Bahnverkehrs.

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