Schifffahrt könnte zum globalen Treiber für grüne E-Fuels werden
Die Verhandlungen bei der Internationalen Schifffahrtsorganisation (IMO) vom 7. bis 11. April in London könnten richtungsweisende Entscheidungen für den E-Fuels-Markt bringen. Die EU sollte auf eine ambitionierte Umsetzung mit klaren Standards und robusten CO2-Vorgaben drängen, um einen globalen Schub für Produktion und Einsatz von grünem Wasserstoff auszulösen.

Einleitung
Von Ulf Neuling, Projektleiter Kraftstoffe bei Agora Verkehrswende, und Matthias Deutsch, Programmleiter Wasserstoff bei Agora Industrie
Wenn die IMO-Verhandler vom 7. bis 11. April in London zusammenkommen, geht es um mehr als die Zukunft der Schifffahrt. Denn setzen sich die Europäische Kommission, Deutschland und viele weitere IMO-Mitgliedsstaaten mit ihrer bisherigen Position pro E-Fuels durch, würde dies klare und langfristige Anreize für deren Produktion und Nutzung setzen – auch in anderen Bereichen, die dringend hierauf angewiesen sind.
Wasserstoff-basierte erneuerbare Kraftstoffe wie E-Ammoniak und E-Methanol sind entscheidend, um in der Schifffahrt aus fossilen Kraftstoffen aussteigen zu können. Insbesondere große Container- oder Kreuzfahrtschiffe brauchen enorme Mengen an Energie, um lange Strecken zurückzulegen und elektrische Antriebe würden die Schiffe wegen der benötigten Batteriekapazität zu schwer und teuer machen. Durch die Einführung von verbindlichen Zielen und Fördermechanismen für E-Fuels könnte die IMO die Investitionen in diese Technologien nun signifikant erhöhen und dem auch für andere Sektoren benötigten Wasserstoffhochlauf wichtigen Auftrieb geben.
In konkreten Maßnahmen ausgedrückt, sollte die IMO durch ambitionierte Vorgaben für den Einsatz nachhaltiger Kraftstoffe in der Schifffahrt (sogenannter „Global Fuel Standard“) stabile Anreize für die Produktion von E-Fuels schaffen und die Preisdifferenz zwischen herkömmlichen Marinetreibstoffen und E-Fuels durch die Einnahmen aus einer globalen Treibhausgas-Abgabe im Seeverkehr deutlich reduzieren. Damit würde sie auch die notwendige Investitionssicherheit schaffen.
Abgeschwächter Kompromissvorschlag im Gespräch
Die Kombination dieser zwei Instrumente wurde bisher von einer breiten Koalition von IMO-Mitgliedsstaaten unterstützt. Dazu gehören sowohl Flaggen- und Inselstaaten wie Panama, die Marshallinseln und die Bahamas, die besonders vom Klimawandel und dem Anstieg des Meeresspiegels betroffen sind, als auch Industriestaaten wie Großbritannien, Japan, Südkorea und die Europäische Union. Würde es auf ein Mehrheitsvotum hinauslaufen, hätte diese Koalition vermutlich ausreichend Stimmen. Allerdings wird bei wichtigen IMO-Entscheidungen historisch auf Einstimmigkeit gesetzt. Um diese zu erzielen, sprechen sich einige IMO-Staaten – auch innerhalb der EU – für einen abgeschwächten Kompromissvorschlag aus.
Das wäre jedoch ein fatales Signal: IMO-Regularien, die keine ausreichenden oder sogar falsche Anreize zur Einführung nachhaltiger Kraftstoffe böten, könnten die Nachfrage nach E-Fuels bereits im Keim ersticken. Beispiele dafür wären eine zu ungenaue Kraftstoffdefinition oder ein zu niedriger CO2-Preis. Schwache Zielvorgaben gepaart mit einem ungebändigten Zertifikatehandel könnten dazu führen, dass die Industrie zunächst weiterhin auf fossile Brennstoffe wie Flüssigerdgas (LNG) oder nur begrenzt verfügbare Biotreibstoffe setzt, anstatt in wirklich nachhaltige E-Fuels zu investieren. Dadurch würden der dringend notwendige Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft verzögert und daraus resultierende Kostensenkungen weiter ausbleiben.
Schifffahrt könnte zum Treiber für E-Fuels werden
Auch andere Sektoren wie die Luftfahrt, die Stahl- und Chemieindustrie brauchen dringend grünen Wasserstoff und Derivate, um fossile Alternativen zu ersetzen. Zwar gibt es für diese in Europa auch schon erste Maßnahmen wie etwa Quotenvorgaben – ein Schub für die Produktion und Nutzung von E-Fuels konnte damit jedoch noch nicht ausgelöst werden.
Die IMO hat jetzt die besondere Chance, mit ihrer Entscheidung auf globaler Ebene die Schifffahrt zum Treiber für E-Fuels zu machen, die auch in anderen Sektoren gebraucht werden. Um dies zu erreichen, sollten Deutschland und die EU auch weiterhin auf eine ambitionierte Umsetzung hinarbeiten und sich nicht zu früh zu einem schwachen Kompromiss bereiterklären. Denn ohne einen starken Nachfrageanker fehlt die dringend benötigte Planungssicherheit und potenzielle Hersteller klimafreundlicher Kraftstoffe werden weiterhin zögern, in die notwendigen Produktionsanlagen zu investieren.
Dieser Artikel ist erstmalig erschienen als Standpunkt im Tagesspiegel Background Verkehr am 7. April 2025.
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