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Format
Blog
Date
17. Juli 2020

Schwer verwirrt!

Warum eine Reform des deutschen Pkw-Effizienz-Labels überfällig ist

Das immer noch gültige Pkw-Label aus dem Jahr 2011 ist kein sinnvoller Indikator für die Klimaverträglichkeit eines Autos. Es bevorzugt schwere und oftmals CO2-intensive Fahrzeuge. Überdies basiert es auf einem überholten Testverfahren. Ohne eine grundlegende Neugestaltung bietet das Label KonsumentInnen keine Hilfestellung beim Kauf eines sparsamen Autos. Eine Reform der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung ist lange überfällig und muss nun zügig – rechtzeitig zum Wiederanziehen der Neuwagenkäufe – umgesetzt werden.


Größer, schneller, schwerer – aber beim Klimaschutz kein Fortschritt

Der Verkehr ist die Großbaustelle der deutschen Klimapolitik. Die Treibhausgasemissionen des deutschen Verkehrssektors lagen mit geschätzten 163 Mio. Tonnen CO2-Äquivalenten in 2019 auf dem gleichen Niveau wie 1990. Der Verkehr ist damit der einzige Sektor, dessen Emissionen seit 1990 nicht gesunken sind. Verantwortlich hierfür waren nicht nur ein Anstieg der Fahrleistung im Personen- und Güterverkehr, sondern auch der Trend zu größeren und höhermotorisierten Pkw.

Von den direkten Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors in Deutschland entfallen etwa 95 Prozent auf den Straßenverkehr, wovon wiederum fast zwei Drittel dem Pkw-Verkehr zuzuordnen sind – dies sind etwa 100 Mio. Tonnen CO2. Der Emissionsminderung des Pkw-Verkehrs fällt mithin eine Schlüsselrolle zu. Neben einer Verlagerung auf klimaverträgliche Modi wie die Schiene, ÖPNV, Rad- und Fußverkehr gilt es, die CO2-Emissionen je gefahrenem Pkw-Kilometer deutlich abzusenken.


Pkw müssen effizienter und leichter (verdaulich fürs Klima) werden

Energieverbrauch und Treibhausgasausstoß von Pkw lassen sich durch eine Verringerung der Fahrwiderstände (z.B. Reduktion des Roll- und Luftwiderstands), die Erhöhung des Wirkungsgrades bestehender Antriebsarten oder den Wechsel zu Antrieben mit grundsätzlich höherem energetischem Wirkungsgrad reduzieren. Eine erfolgversprechende Klimapolitik für den Verkehrssektor wird um eine konsequente Strategie zur Elektrifizierung nicht umhinkommen, da Elektroantriebe einen etwa dreimal so hohen Wirkungsgrad wie Verbrennungsmotoren aufweisen. Doch auch die Optimierung verbrennungsmotorischer Pkw erlaubt noch erhebliche CO2-Einsparungen. Ein äußerst effektiver Ansatzpunkt, um Energieverbrauch und Emissionen zu senken, ist die Reduktion des Fahrzeuggewichts. Gewicht lässt sich einerseits durch den Bau kompakterer Fahrzeuge einsparen oder andererseits durch Leichtbau-Maßnahmen bei Konstruktion und Materialauswahl.

Damit die Fahrzeuge schnell effizienter und klimaverträglicher werden, bedarf es entsprechender Rahmenbedingungen. Diese umfassen sowohl finanzielle Anreize (z.B. CO2-Bepreisung im Verkehr, Bonus-Malus-System) als auch ordnungsrechtliche Vorgaben (z.B. CO2-Flottengrenzwerte). Dazu gehören aber auch informatorische Instrumente, welche die Kunden bei der Wahl eines klimaverträglichen Autos unterstützen.


Pkw-Effizienzlabel: Zweifelhafte Berechnungsformel und veraltete Datenbasis

Hier kommt das Pkw-Label ins Spiel, umgesetzt mittels der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung. Das Pkw-Label sollte es den Kunden erleichtern, sich unkompliziert ein Bild über die Effizienz und Klimaverträglichkeit der angebotenen Fahrzeuge zu machen. Hierzu werden die Autos in alphabetisch geordnete CO2-Effizienzklassen eingeteilt. Zudem soll die CO2-Effizienz durch ein ampelähnliches grafisches Element auf dem Label schnell erfassbar sein, wobei grün hohe und rot geringe CO2-Effizienz symbolisieren (vgl. Abb. 3). Klingt zunächst einmal leicht verständlich und zweckmäßig.   

Das deutsche Pkw-Label beurteilt die Effizienz eines Autos dabei allerdings nicht danach, wie hoch der absolute CO2-Ausstoß je gefahrenem Kilometer ist, sondern setzt die Emissionen je Kilometer ins Verhältnis zum Fahrzeuggewicht. Konkret heißt das, dass in der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung mittels einer linearen Funktion für jedes Fahrzeuggewicht ein Referenz-Emissionswert festgelegt wird. Der spezifische CO2-Referenzwert steigt mit dem Fahrzeuggewicht an. Für die Bewertung der CO2-Effizienz eines Pkw gilt dann: Je weiter der für ein Auto im offiziellen Testverfahren gemessene Emissionswert oberhalb (unterhalb) des Referenzwerts für das jeweilige Fahrzeuggewicht liegt, desto schlechter (besser) ist die Effizienzklasse (siehe Abb. 1).

Wo liegt nun das Problem? Und wurde für die europäischen CO2-Flottengrenzwerte nicht ein ähnliches Vorgehen gewählt? Tatsächlich ist der von einem Hersteller einzuhaltende Flottengrenzwert ebenfalls vom durchschnittlichen Gewicht seiner verkauften Fahrzeuge abhängig; je schwerer die Autos, desto mehr dürfen sie emittieren. Dass sich der Gewichtsbezug auch bei den CO2-Flottengrenzwerte findet, macht die Lage jedoch nicht besser, sondern verdeutlicht vielmehr die Problematik eines solchen Regulierungsansatzes. Denn auch dort führt er bereits zu erheblichen Fehlanreizen und Verzerrungen: Die Reduktion des Fahrzeuggewichts, eine der effektivsten Maßnahmen zur Emissionsminderung, wird durch den Gewichtsbezug gegenüber anderen Minderungsoptionen diskriminiert. Diese Diskriminierung liegt darin, dass über eine Gewichtsreduktion erreichte Emissionsminderungen eine Verschärfung des herstellerspezifischen CO2-Zielwertes nach sich ziehen; sie werden hierdurch zum Teil entwertet. Das macht das Erreichen eines gegebenen Emissionsziels unnötig teuer. Dass dadurch eine Trendwende hin zu leichteren und kleineren Fahrzeugen verhindert wird, geht zudem mit weiteren negativen Nebenwirkungen einher – beispielsweise hinsichtlich der Verkehrssicherheit.

Für die europäische Flottenregulierung gilt, dass der Anreiz zur Gewichtsreduktion deutlich abgeschwächt wird, aber zumindest keine Anreize zur Gewichtserhöhung bestehen. Hinsichtlich der Verzerrungswirkung durch den Gewichtsbezug geht das deutsche Pkw-Label allerdings noch einen fatalen Schritt weiter in die falsche Richtung. Hier wird ein hohes Fahrzeuggewicht regelrecht belohnt – mit der Aussicht auf eine bessere Effizienzklasse. Je schwerer ein Fahrzeug ist, desto eher wird ihm eine hohe CO2-Effizienz attestiert – ungeachtet der Tatsache, dass die absoluten Emissionen je Kilometer mit dem Gewicht steigen. Abb. 1 visualisiert diesen kruden Zusammenhang.

Die durchgezogene rote Linie bildet die Referenzwertfunktion der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung ab. Sie definiert für jedes Fahrzeuggewicht den CO2-Referenzwert, anhand dessen die Effizienzklasse eines Pkw bestimmt wird. Hierzu werden die tatsächlichen Emissionen eines Autos mit dem gewichtsspezifischen CO2-Referenzwert verglichen. Je höher der Referenzwert liegt, desto leichter lässt er sich unterschreiten und damit eine gute Effizienz-Bewertung erzielen. Die Übergänge zwischen den verschiedenen Effizienzklassen sind durch die gestrichelten Linien definiert. So erhalten beispielsweise Pkw, deren CO2-Emissionswert unterhalb der orangen gestrichelten Linie liegt, die Effizienznote C, unterhalb der gelben Linie ein B und unterhalb der grünen gestrichelten Linie mindestens die Effizienzklasse A.

Die blaue Gerade gibt hingegen die tatsächliche Korrelation, d.h. den empirisch beobachteten Zusammenhang, von Fahrzeuggewicht und CO2-Emissionen je Kilometer für die europäische Pkw-Flotte des Jahres 2017 wieder. Vereinfacht ausgedrückt: Die blaue Regressionsgerade zeigt den CO2-Ausstoß eines durchschnittlich effizienten Pkw in Abhängigkeit von seinem Gewicht an. Erwartungsgemäß zeigt sich, dass schwerere Fahrzeuge im Durchschnitt höhere CO2-Emissionen je Kilometer aufweisen. Es wird allerdings deutlich, dass die blaue Regressionsgerade wesentlich flacher verläuft als die Referenzwertgerade für das deutsche Label. Dies bedeutet nichts anderes, als dass der tatsächliche empirische Zusammenhang zwischen Fahrzeuggewicht und CO2-Ausstoß (mittlerweile) weit schwächer ausgeprägt ist als in der Referenzwertgerade unterstellt. Die Referenzwertgerade bildet den Zusammenhang von Gewicht und CO2-Emissionen der deutschen Pkw-Flotte des Jahres 2008 ab und wurde seit Einführung des Labels nicht mehr aktualisiert. Durch technischen Fortschritt ist die tatsächliche Regressionsgerade in den vergangenen Jahren demgegenüber stetig abgeflacht. Während der CO2-Referenzwert um 9 Gramm je 100 Kilogramm zusätzlichem Fahrzeuggewicht ansteigt, steigen die durchschnittlichen Emissionen der aktuellen europäischen Neuwagen-Flotte nur um etwa die Hälfte – also etwa 4,5 Gramm – je zusätzlichen 100 Kilogramm an.

Abb. 1: Zusammenhang zwischen Fahrzeuggewicht und CO2-Effizienzklasse

Belohnung für den „Sack Zement im Kofferraum“: Je schwerer das Fahrzeug, desto besser die Effizienznote

Was bedeutet dies nun? Überspitzt formuliert: Um die CO2-Effizienzklasse seiner Fahrzeuge zu verbessern, muss ein Hersteller sie nicht zwingend sparsamer machen, sondern nur schwerer. Während ein sehr leichtes, bezogen auf sein Gewicht durchschnittlich effizientes Fahrzeug die CO2-Effizienznote C erhält, ist man mit ein paar Kilogramm mehr schon schnell bei einem B. Steigt das Fahrzeuggewicht über den deutschen Durchschnitt (1469 Kilogramm im Jahr 2018) hinaus, ist das für sein Gewicht durchschnittlich spritdurstige Auto auch schon in Effizienzklasse A angelangt. Die Pfeile in Abb. 1 illustrieren diese wundersame – scheinbare – Effizienzverbesserung mit steigendem Gewicht. Leider bleibt das echte Effizienzwunder aus, die mit dem Fahrzeuggewicht besser werdende Klassifizierung ist lediglich das Resultat einer vollkommen inadäquaten Berechnungsformel.   

Natürlich liegt nicht jedes Fahrzeug auf der blauen Regressionsgeraden. In jeder Gewichtsklasse gibt es mehr oder weniger emittierende Autos. So kann beispielsweise eine ungünstige Aerodynamik oder ein sehr leistungsstarker Antrieb den „Gewichtsbonus“ wieder zunichtemachen. Auch gibt es Unterschiede zwischen den nationalen Pkw-Flotten in der EU. Dennoch gilt: Je schwerer das Fahrzeug, desto greifbarer ist eine sehr gute CO2-Effizienzklassifizierung gemäß der deutschen Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung. Für Klein- und Kompaktwagen hängen die Früchte einer guten CO2-Effizienznote tendenziell höher als für Fahrzeuge in schwereren Fahrzeugsegmenten. Es ist wohl kein Zufall, dass hiervon vor allem die Angebotsflotten deutscher Hersteller profitieren. 


In Deutschland Top, in Europa Flop

Kommen wir noch einmal kurz auf die EU-Flottengrenzwerte zurück. Ab diesem Jahr gilt in der EU ein CO2-Flottengrenzwert von 95 Gramm je Kilometer; in diesem Jahr zunächst für 95% der Autos, ab nächstem Jahr dann für alle. Da dieser Wert für den Flottendurchschnitt und nicht für jedes einzelne Fahrzeug gilt, werden ihn einige Fahrzeuge nicht einhalten, während sehr effiziente Modelle den Grenzwert unterschreiten. Man würde nun annehmen, dass Autos mit der Effizienznote „A“, aber zumindest mit der Bestnote „A+“, zu jenen gehören, deren CO2-Ausstoß unterhalb des Grenzwertes liegt. Tatsächlich aber liegen alle Pkw in den Effizienzklassen „A“ und „B“ gemäß dem derzeitigen deutschen Label oberhalb des aktuellen – gewichtsabhängigen – europäischen Grenzwerts (siehe Abb. 2). Und selbst um sich für Effizienzklasse „A+“ zu qualifizieren, ist es nicht zwingend notwendig, den EU-Flottengrenzwert einzuhalten. Sogar für die bereits im Jahr 2012 (schrittweise) in Kraft getretenen und bis 2019 gültigen CO2-Flottengrenzwerte gilt, dass sie nicht notwendigerweise von Pkw mit den deutschen Effizienznoten „A“ und „B“ eingehalten wurden. Dies unterstreicht noch einmal, wie dringend eine Generalüberholung der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung ist.

Abb. 2: Effizienzklassen des deutschen Pkw-Labels und EU CO2-Flottengrenzwert

Reform des Pkw-Labels ist dringend notwendig, wird jedoch verschleppt

Es drängt sich mithin der Verdacht auf, dass das Pkw-Label in seiner derzeitigen Form weniger dem Klimaschutz oder einer verzerrungsfreien Konsumenteninformation dient, sondern vielmehr der Absatzförderung großer und schwerer – und zugleich margenstarker – Fahrzeuge deutscher Hersteller, insbesondere aus den  sogenannten Premiumsegmenten. Dieser Weg ist aber in Zeiten der sich weiter verschärfenden Klimakrise und einer grundlegenden globalen Transformation der Autobranche (weg vom Verbrenner, hin zu neuen Antrieben) weder ökologisch noch ökonomisch länger gangbar.

Doch nicht allein um die KonsumentInnen objektiv zu informieren und Anreize für echte Effizienzfortschritte und Klimaschutz zu setzen, bedarf es dringend einer Reform des Pkw-Labels. Nicht zuletzt auch die Umstellung des Testzyklus zur Messung der CO2-Werte von NEFZ zu WLTP im Jahr 2018 erzeugt hohen Reformdruck. Diese Umstellung führt zu der kuriosen Situation, dass die auf dem Label ausgewiesenen CO2-Werte und die daraus berechnete Effizienzklasse auf dem NEFZ-Testverfahren beruhen, während der – ebenfalls auf dem Label angegebene – jährliche Kfz-Steuersatz inzwischen auf dem WLTP-Verfahren beruht. Das Vertrauen der VerbraucherInnen kann so schwerlich gewonnen werden. Die EU-Kommission hatte eine Umstellung der Verbraucherinformationen auf das WLTP-Verfahren zum 1.1.2019 empfohlen.

Diesem Reformdruck hat sich die Bundesregierung allerdings bisher entzogen. Statt Klimaschutz, technischem Fortschritt und der Umstellung des Testzyklus Rechnung zu tragen, beschränkten sich die Reformen bisher weitgehend darauf, die Effizienzklasse „A+“ einzuführen und zu prüfen, ob weitere „+“ hinzuzufügen sind. Eine grundlegende Reform lässt weiter auf sich warten – obgleich ein seitens des Bundeswirtschaftsministeriums in Auftrag gegebenes Gutachten bereits Ende 2017 Vorschläge vorgelegt hat, die durchaus in die richtige Richtung weisen. Auch Konsultationen mit Vertretern aus der Automobilwirtschaft, der Werbebranche und Verbänden haben schon vor nunmehr über zwei Jahren stattgefunden.

Die Verschleppung muss nun sehr zügig ein Ende finden. Die Neuwagenkäufe in Deutschland ziehen nach der Corona-Flaute wieder an. Damit die anstehenden Kaufentscheidungen nicht weiterhin durch das gegenwärtige Label in Richtung schwerer und CO2-intensiver Pkw verzerrt werden, sollte das BMWi nun ohne weiteren Verzug eine ambitionierte Reform auf den Weg bringen. Die dafür notwendigen Grundlagen für eine schnelle Reform liegen lange vor.


Kein Steuergeld zum Auspuff raus: Fiskalische Anreize nur auf Basis einer reformierten Effizienzklassifizierung

In der Debatte um die Ausgestaltung eines Konjunkturprogramms in der Corona-Krise wurden verschiedene Modelle einer Pkw-Kaufprämie diskutiert. Hierzu gehörte auch der Vorschlag, das aktuelle – dringendst reformbedürftige – Effizienz-Label zum Kriterium für die Gewährung von Kaufprämien zu machen. Demnach sollten alle Pkw für förderfähig erklärt werden, die mindestens die CO2-Effizienzklasse B erreichen. Dies wäre angesichts der zuvor dargelegten massiven Schwächen der gegenwärtigen Effizienzklassifizierung Ausdruck weitestgehender ökologischer Anspruchslosigkeit – von umweltorientierten Kaufprämien zu sprechen wäre bestenfalls ein Euphemismus. Eine substanzielle, an ökologischen Kriterien orientierte Eingrenzung des Kreises förderfähiger Fahrzeuge hätte nicht stattgefunden; in den Jahren 2018 und 2019 lagen jeweils etwa 70 Prozent aller Fahrzeuge in der Effizienzklasse B oder besser (vgl. Tab. 1). So hätte es mit diesem Vorschlag Prämienzahlungen beispielsweise auch für einen Audi Q7 mit einem CO2-Wert von 215 g je Kilometer gemäß WLTP (179 g je Kilometer gemäß NEFZ) gegeben, was klimapolitisch absurd wäre (siehe Abb. 3).

Tab. 1: Verteilung der CO2-Effizienzklassen für das Jahr 2019 gemäß Kraftfahrt-Bundesamt

Grundsätzlich kann es durchaus sehr sinnvoll sein, fiskalische Maßnahmen im Verkehrssektor (z.B. Bonus-Malus-System oder Dienstwagenbesteuerung) an Effizienzkriterien auszurichten. Dem muss jedoch zwingend eine grundlegende Reform der Effizienz-Klassifizierung vorausgehen. Jedwede Förderpolitik, die sich am gegenwärtigen System orientiert, würde den Trend zu großen und höhermotorisierten – und damit auch energiehungrigen – Fahrzeugen weiter verstetigen. Zudem entstünde eine erhebliche soziale Schieflage: Während die Gesamtheit der Steuerzahler für fiskalische Privilegien aus dem allgemeinen Haushalt aufkommen muss, fänden sich die Profiteure in den wohlhabenden Haushalten. Dies gilt im Grundsatz zwar für alle Spielarten von Prämien und Steuervorteilen für Neufahrzeuge, da sich einkommensschwache Haushalte häufig kein neues Fahrzeug leisten können. Durch eine Kopplung an die derzeitigen CO2-Effizienzklassen verstärkte sich dieser Effekt aber nochmals, da ein beträchtlicher Teil der Prämien und Privilegien auf große und teure Fahrzeuge entfallen würde.


Reform-Eckpunkte: Transparenz von Klimawirkung und Kosten

Um die Wirksamkeit des Labels zu erhöhen und sie in Richtung des Kaufs tatsächlich sparsamer Fahrzeuge zu lenken, sollte die Reform der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung an mehreren Hebeln gleichzeitig ansetzen. Kurzfristig sollten zumindest folgende Elemente umgesetzt werden:


Effizienzklassen auf Basis absoluter CO2-Emissionen

Die zentrale CO2-Effizienznote sollte künftig auf dem absoluten CO2-Wert je Kilometer, gemessen im WLTP-Verfahren, beruhen. Für das Klima entscheidend ist schließlich der absolute CO2-Ausstoß und nicht der Ausstoß je Tonne Fahrzeugmasse. Zudem haben Auswertungen gezeigt, dass eine Mehrzahl der KäuferInnen eine absolute Bewertung bevorzugt und die derzeitige relative Effizienzbewertung fehlinterpretiert.


Relative Effizienzbewertung höchstens ergänzend und mit anderem Referenzparameter

Als Argument zugunsten eines gewichtsbasierten Labels wird angeführt, dass es innerhalb eines gegebenen Pkw-Segments eine stärkere Differenzierung nach Effizienzkriterien ermögliche. So könnten beispielsweise KäuferInnen, die aus familiären Gründen auf ein größeres Fahrzeug angewiesen sind, leichter die effizienten Modelle innerhalb ihrer Vorauswahl identifizieren, da sich die zur Auswahl stehenden Fahrzeuge über eine größere Spanne an Effizienzklassen erstrecken. Eine mögliche Ergänzung der absoluten um eine relative Effizienznote darf aber nicht zur Verunsicherung der KonsumentInnen führen und damit die Wirksamkeit des Labels unterminieren. Ferner darf die relative Effizienzbewertung keinesfalls – wie derzeit – dazu führen, dass große und absolut emissionsintensivere Autos systematisch besser bewertet werden. Hierzu ist eine hinreichend flache Referenzwertgerade zu wählen. Bei Verknüpfung mit fiskalischen Maßnahmen sollte die auf absoluten CO2-Werten basierende und nicht die relative Effizienznote das maßgebliche Kriterium sein.

Für den Fall, dass sich die Bundesregierung für eine ergänzende relative Effizienzbewertung entscheidet, sollte obendrein ein geeigneterer und weniger verzerrender Nutzen-Parameter als die Fahrzeugmasse gewählt werden. Mit der zunehmenden Marktdurchdringen alternativer Antriebe verliert das Gewicht überdies noch weiter an Sinnhaftigkeit als Nutzen-Parameter. Eine Vielzahl von Studien kommt zu dem Ergebnis, dass der sogenannte „Footprint“ (d.h. die Fläche zwischen den vier Rädern) eine deutlich bessere Eignung aufweist; die notwendigen Datengrundlagen für eine solche Umstellung sind vorhanden. Eine Prüfung und mögliche Umstellung des Referenzparameters ist bereits in der derzeitigen Verordnung angelegt, wurde aber nie ernsthaft angegangen.


Regelmäßige Anpassung an den technischen Fortschritt

Das Pkw-Label sollte dem technischen Fortschritt Rechnung tragen: Statt die CO2-Note „A“ um immer weitere „+“ zu ergänzen, sind die Effizienzklassen bei fortschreitenden technologischen Verbesserungen regelmäßig so anzupassen, dass es sich bei einem Auto mit der Note „A“ auch tatsächlich um eines der effizientesten Modelle im Markt handelt.


Sukzessive Erweiterung der Informationspflichten auf Gebrauchtwagen

Die Mehrzahl der Pkw in Deutschland wird als Gebrauchtwagen gekauft. Auch AutokäuferInnen, die sich kein Neufahrzeug leisten können, sollte der Kauf eines sparsamen Wagens erleichtert werden. Daher sollten die Informationspflichten sukzessive auch auf Gebrauchtwagen ausgeweitet werden.


Prominentere Darstellung der Energiekosten

Kostenerwägungen sind ein wichtiges Motiv bei der Pkw-Wahl; dies gilt auch für die Kraftstoff- bzw. Energiekosten sowie die steuerliche Belastung. Daher sollten zum einen die Kostenimplikationen, sowohl die Energieträgerkosten als auch die Kfz-Steuer, deutlich prominenter auf dem Label platziert werden; denkbar wäre dabei auch eine Angabe der kumulierten Kosten über die durchschnittliche Haltedauer oder Lebensdauer des Fahrzeugs. Zum anderen könnten die Einsparmöglichkeiten (bzw. die Zusatzkosten) bei Wahl eines effizienten (bzw. ineffizienten) Modells im Vergleich zu einem durchschnittlich effizienten oder dem EU-Flottengrenzwert entsprechenden Fahrzeugs angegeben werden; hierdurch ließe sich durch Nutzung der sogenannten „Verlustaversion“ die Label-Wirksamkeit potenziell erhöhen.


Transparenz bei Plug-in-Hybriden

Plug-in-Hybride können nur dann einen Beitrag zum Klimaschutz leisten (und zur Reduzierung der Kraftstoffkosten), wenn sie hohe elektrische Fahranteile aufweisen. Werden sie vornehmlich im verbrennungsmotorischen Betrieb gefahren, verbrauchen sie oftmals sogar mehr als reine Verbrenner-Fahrzeuge. Daher sollten neben den kombinierten Verbräuchen die rein elektrische Reichweite und der Verbrauch (sowie CO2-Wert) bei Fahrt mit leerer Batterie gut sichtbar dargestellt werden.

Diese Reformschritte können und sollten sehr schnell umgesetzt werden. Mittelfristig, mit stetig steigenden Anteilen elektrischer Antriebe, sollte der Fokus der Informationsbereitstellung geweitet werden. Bisher basiert die Effizienzklassifizierung ausschließlich auf den direkten, d.h. unmittelbar am Fahrzeug entstehenden, CO2-Emissionen. Doch auch lokal emissionsfreie elektrische Pkw sollten möglichst energieeffizient sein, um knappe Ressourcen zu schonen und Emissionen in der Vorkette zu vermeiden. Um auch für Pkw mit alternativen Antrieben leicht verständliche Verbrauchsinformationen anzubieten und Effizienzanreize zu setzen, bedarf es einer Weiterentwicklung des Labels (und weiterer Informationsangebote) in Richtung einer umfassenderen Energieeffizienzkennzeichnung.

Obgleich die Umstellung vom NEFZ- auf das WLTP-Testverfahren eine Verbesserung hinsichtlich der Abweichung des tatsächlichen Kraftstoffverbrauchs vom offiziell getesteten Verbrauch darstellt, sollte ferner im Sinne der Käuferaufklärung auf noch realitätsnähere Verbrauchsangaben auf dem Pkw-Label hingewirkt werden.

Darüber hinaus muss im Rahmen der Reform der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung das Online-Informationsangebot stärker in den Fokus der Regulierungen rücken. Der Pkw-Kaufprozess und insbesondere die frühe Informationssuche verlagern sich immer stärker ins Internet. Eine effektive Konsumenteninformation erfordert mithin die Informationspflichten im Online-Bereich zu konkretisieren und deutlich auszubauen.


Fazit

Das deutsche Pkw-Label ist dringend reformbedürftig. Es führt AutokäuferInnen, die sich für die CO2-Effizienz ihres Fahrzeugs interessieren, in die Irre. Orientiert sich eine Käuferin oder ein Käufer am derzeitigen Effizienz-Label, wird sie oder er weniger dazu verleitet, sich ein tatsächlich CO2-armes Auto anzuschaffen, sondern vielmehr dazu sich ein schweres Gefährt mit meist hohem absolutem CO2-Ausstoß zuzulegen. Das ist nicht nur mit Blick auf das Klima, sondern auch auf die Verkehrssicherheit problematisch, denn mit zunehmender Fahrzeugmasse erhöht sich zwar die Sicherheit der Insassen des schwereren Pkw, dies geht jedoch auf Kosten der Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmenden. Überdies beanspruchen große Fahrzeuge auch mehr des gerade in den Städten knappen öffentlichen Raums.

Ursächlich hierfür ist der völlig inadäquate Gewichtsbezug in der deutschen Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung: Während Gewicht, Verbrauch und absolute CO2-Emissionen je Kilometer zunehmen, wird die Farbe des Pkw-Effizienzlabels immer grüner. Im Zuge der anstehenden, ohnehin längst überfälligen Reform sollte sich die Effizienzklassifizierung künftig vor allem am absoluten CO2-Ausstoß je Kilometer orientieren. Die bisherige Belohnung für schiere Größe bzw. Fahrzeugmasse kann nicht mehr Teil einer ökologisch sinnvollen und konsumentenfreundlichen Verbrauchskennzeichnung sein. Mittelfristig sollte in einem nächsten Schritt auch der Energieverbrauch von E-Autos angemessen in der Effizienzbenotung berücksichtigt werden, denn auch diese lokal emissionsfreien Fahrzeuge sollten im Sinne der Nachhaltigkeit möglichst sparsam sein.

Abb. 3: Beispiel Pkw-Label für Audi Q7

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