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Format
Pressemitteilung
Date
2. Dezember 2021

ÖV-Atlas macht Qualität des öffentlichen Verkehrs sichtbar

Auswertung der Fahrplandaten aus ganz Deutschland von Agora Verkehrswende / Nur ein Drittel der Bevölkerung ist mindestens ausreichend angebunden / Heidelberg, Frankfurt am Main und Berlin schneiden am besten ab

Berlin, 2. Dezember 2021. Nur ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland ist mindestens ausreichend mit Bus und Bahn versorgt. Rund ein Viertel hat praktisch keinen Anschluss an den öffentlichen Verkehr (ÖV). Das zeigt der interaktive ÖV-Atlas Deutschland, den der Thinktank Agora Verkehrswende auf seiner Website veröffentlicht hat. Ausgewertet wurden dafür die aktuellen Fahrplandaten nahezu aller Verkehrsunternehmen mit rund 33 Millionen Informationen zu Abfahrten von Bussen und Bahnen. Die höchste Dichte an Abfahrten haben die Städte Heidelberg, Frankfurt am Main und Berlin mit über 1.500 Abfahrten pro Quadratkilometer und Tag. Das heißt, dass dort im Umkreis von 500 Metern etwa jede Minute ein Bus oder eine Bahn abfährt.

„Mit dem ÖV-Atlas möchten wir einen Beitrag leisten für mehr Transparenz und Messbarkeit der Qualität im öffentlichen Verkehr“, sagt Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende. „Alle sind sich einig, dass die Versorgung mit Bus und Bahn besser werden muss, um die Klimaziele zu erreichen. So steht es auch im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP. Aber bisher gab es keine gemeinsame Datengrundlage, um den Status quo zu messen und zu vergleichen. Mit dem ÖV-Atlas hoffen wir, die Diskussion über den Ausbau des öffentlichen Verkehrs voranzubringen – in Bund, Ländern und Gemeinden genauso wie in Verkehrsunternehmen und der Zivilgesellschaft. Denn nur was man messen kann, kann man auch genauer beurteilen und gezielt verbessern.“

Hohe Abfahrtendichte bringt steigende Nachfrage

Der ÖV-Atlas Deutschland zeigt, wie oft ein Bus oder eine Bahn abfährt – im Verhältnis zur Fläche, zur Einwohnerzahl und gesondert für den Fernverkehr. Diese Abfahrtendichte ist entscheidend dafür, wie häufig Menschen den öffentlichen Verkehr nutzen. Mit 42,5 Prozent ist der Anteil des öffentlichen Verkehrs an allen zurückgelegten Kilometern in Berlin am höchsten. Auch die Abfahrtendichte ist hier mit 1.565 Abfahrten pro Quadratkilometer und Tag besonders hoch. In der Spitzengruppe sind neben Metropolen wie Berlin, Frankfurt am Main und München auch kleinere Städte wie Heidelberg, Bonn, Offenbach und Tübingen. Sie alle erreichen über 1.200 Abfahrten pro Quadratkilometer und Tag.

Bei einer Abfahrtendichte von unter 300 wie etwa in Cottbus, Landau oder Neubrandenburg wird dagegen der öffentliche Verkehr nur wenig genutzt. In diesen Städten werden unter 20 Prozent, oft sogar unter 10 Prozent der Kilometer mit Bus und Bahn zurückgelegt. Fahrgäste sind hier vor allem diejenigen, denen kaum eine andere Möglichkeit bleibt, als auf einen Bus zu warten, wie etwa Schülerinnen und Schüler. Auch Städte wie Wolfsburg, Krefeld und Gelsenkirchen kommen bei der Abfahrtendichte nicht über einen Schwellenwert von 500 Abfahrten pro Quadratkilometer und Tag hinaus. Erst ab einer Abfahrtendichte von 500 bewertet Agora Verkehrswende das Angebot als ausreichend bis befriedigend, ab einer Abfahrtendichte von 1000 als gut.

Offensive für die Verdopplung der Verkehrsleistung von Bus und Bahn

Auf dem Weg zur Klimaneutralität spielt der Ausbau des öffentlichen Verkehrs eine entscheidende Rolle. Die Elektrifizierung des Autoverkehrs allein reicht nach Berechnungen von Agora Verkehrswende nicht aus, um bis 2045 Klimaneutralität in Deutschland zu erreichen. Mindestens ein Drittel des heutigen Straßenverkehrs müsse perspektivisch auf energieeffizientere und klimaverträgliche Verkehrsmittel verlagert werden. Das heißt, dass die Nachfrage im öffentlichen Verkehr bis 2030 mindestens um 60 Prozent gegenüber dem Niveau vor Corona wachsen sollte. Bis zur Mitte des Jahrhunderts müssten sich die mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegten Kilometer verdoppeln.

„Für die Verkehrswende ist eine gemeinsame Angebotsoffensive von Bund, Ländern und Gemeinden notwendig“, sagt Philipp Kosok, Projektleiter Öffentlicher Verkehr bei Agora Verkehrswende. „Dafür braucht es Standards für Angebote und Erreichbarkeit und der Bund muss sich stärker an den Betriebskosten des öffentlichen Verkehrs beteiligen. In den ländlichen Räumen geht es darum, den Menschen überhaupt eine Alternative zum eigenen Auto zu bieten. In den Großstädten müssen Kapazitäten ausgebaut und Takte verdichtet werden. Im Koalitionsvertrag ist dafür bereits ein Ausbau- und Modernisierungspakt vorgesehen. Es ist jetzt die Aufgabe des neuen Bundesverkehrsministers, einen Vorschlag zu entwickeln, wie dieses Paket genau ausgestaltet und finanziert werden soll.“ Empfehlungen für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs hat Agora Verkehrswende im September in der Publikation Vier Jahre für die Fairkehrswende vorgelegt.

Der interaktive ÖV-Atlas Deutschland ist, zusammen mit einer begleitenden Auswertung und Infografiken, kostenlos online verfügbar unter www.agora-verkehrswende.de/veroeffentlichungen/oev-atlas/. Je dunkler die Farbe auf den Karten, desto höher die Abfahrtendichte und desto besser das Angebot. Damit die Angaben nicht durch Wälder, Ackerflächen oder Seen verzerrt werden, wurden alle Abfahrten innerhalb einer Gemeinde auf deren Siedlungs- und Verkehrsfläche umgelegt. Die Einheit „Abfahrten pro Quadratmeter und Tag“ bezieht sich also auf die bebaute Fläche.

Agora Verkehrswende ist eine gemeinsame Initiative der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation.

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