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Format
Blog
Date
9. Januar 2025

Autonomes Fahren: Mehr Fortschritts-Wagen

Deutschland hat das Potenzial, beim autonomen Fahren weltweit eine führende Rolle einzunehmen. Die scheidende Bundesregierung hat dafür eine Strategie vorgelegt – nun ist es an der kommenden Regierung, die Vorhaben in die Umsetzung zu bringen. 

Von Yannick Thoma, Projektleiter Internationale Kooperation bei Agora Verkehrswende

In San Francisco gehören E-Autos ohne Fahrer:in hinter dem Lenkrad inzwischen zum Alltag. Auch China treibt die Entwicklung von Fahrzeugen, die ohne eine führende Person unterwegs sind (also Level 4 des autonomen Fahrens) im Heimatmarkt voran, mit großer Stückzahl und hoher Laufleistung.

Hierzulande hingegen stufen große deutsche Unternehmen wie Bosch, ZF Friedrichshafen und Continental Entwicklungsvorhaben zum autonomen Fahren in ihrer Priorität herab und ziehen sich teilweise aus dem Markt und der Technologie zurück. Bei der Gesetzgebung ist Deutschland zwar fortschrittlich, allerdings ist bis heute noch kein Regelbetrieb auf Level 4 in Deutschland zugelassen.

Mit ihrer Anfang Dezember veröffentlichten Strategie für autonomes Fahren im Straßenverkehr will die bald scheidende Bundesregierung dies ändern. So soll „Deutschland […] zu einem der weltweit führenden Innovations- und Produktionsstandorte für autonomes Fahren werden“. Die Strategie soll den Markthochlauf des autonomen Fahrens beschleunigen und einen „innovationsfreundlichen Rahmen“ schaffen, „der von Wirtschaft und Industrie mit Leben gefüllt werden muss“.

Die Strategie ist ein richtiges und wichtiges Signal für mehr autonomes Fahren in Deutschland. Denn autonome Fahrzeuge braucht es dringend für ein stabiles Angebot des öffentlichen Verkehrs und den Klimaschutz. Autonom fahrende und individuell buchbare On-Demand-Dienste mit Shuttles und Linienbussen können insbesondere im ländlichen und sub-urbanen Raum einen Beitrag zu nachhaltiger Mobilität und Angebotsverbesserung leisten. Zudem werden die Kosten für den nötigen Ausbau des öffentlichen Verkehrs bis 2045 maßgeblich durch stark steigende Ausgaben für das Fahrpersonal getrieben. Selbstfahrende Fahrzeuge sind Teil der Lösung auch dieses Problems.

Die Bundesregierung hat das Ziel ausgesprochen, bis 2030 „autonomes Fahren als festen Bestandteil in ein verkehrsträgerübergreifendes und vernetztes Mobilitätssystem“ zu integrieren. Bis 2028 soll der weltweit größte zusammenhängende Betriebsbereich für autonome Fahrzeuge in Deutschland entstehen. Diese Ziele sind ambitioniert. Es ist an der nächsten Regierung, das Tempo aufzunehmen und hochzuhalten. Das Thema darf nicht wie der Breitbandausbau zur unendlichen Geschichte werden.

Eine neue Bundesregierung kann viel bewegen, wenn sie gemeinsam mit den zentralen Akteuren des autonomen Fahrens die in der Strategie genannten Maßnahmen umsetzt. Eine wie vom Bundesverkehrsministerium angekündigte „Umsetzungsallianz“ aus Ländern, Kommunen, Betreibern, Unternehmen, Verbänden und Wissenschaftspartnern wäre dafür sehr gut geeignet. Damit das autonome Fahren fester Bestandteil des öffentlichen Verkehrs wird, sollte die Allianz insbesondere folgende Punkte angehen:

  • Statt ausschließlich kurzlaufende und kleinteilige Projekte zu fördern, sollten Bund und Länder zuallererst den Fördermittel-Fokus auf maximal drei groß angelegte langfristigere Modellvorhaben insbesondere im sub-urbanen und ländlichen Raum bündeln.  In diesen großen Feldversuchen sollten möglichst schnell autonome Fahrzeugflotten am besten in dreistelliger Anzahl auf die Straßen kommen und das Angebot kontinuierlich ausgebaut werden. Nur so wird eine Absatzperspektive von vielen Fahrzeugen geschaffen, die zur Kostenreduktion beiträgt und so nachhaltige Geschäftsmodelle im ÖPNV ermöglicht.
  • Ein schneller Hochlauf mit großer Stückzahl erfordert beträchtliche Investitionen in die Forschung, Entwicklung, Erprobung und Umsetzung des autonomen Fahrens. Hier gilt es – beispielsweise in Zusammenarbeit mit privaten Investoren – neue Finanzierungsmodelle zu entwickeln und bestehende Beschaffungsprozesse zu überdenken. Dabei könnten Ansätze wie Einkaufsgemeinschaften oder Abonnement-Modelle über den klassischen Einmalkauf eines einzelnen Aufgabenträgers hinaus eine Rolle spielen.
  • Eine wissenschaftliche Begleitung der Großvorhaben bietet die Möglichkeit, Erkenntnisse entlang der gesamten Prozesskette – von der Einführung über das Ausrollen bis hin zum Betrieb – als Blaupause für weitere Regionen aufzubereiten. Die Zulassungs- und Genehmigungsprozesse autonomer On-Demand-Mobilitätsangebote sollten vereinfacht und regulatorische Unsicherheiten und Unklarheiten schnellstmöglich angepasst werden.

Noch hat Deutschland die Chance, die Innovationen beim autonomen Fahren so voranzutreiben, dass es darin führender Industriestandort wird – mit allen positiven Effekten für Wertschöpfung, Beschäftigung und die Mobilitätswende und trotz einer verhältnismäßig kleinen, lokalen Digitalwirtschaft. Damit die Zukunft autonom fährt, ist jetzt der Zeitpunkt, um Weichen zu stellen, damit Deutschland zur globalen Spitze aufschließen kann.

Dieser Artikel ist erstmalig erschienen als Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau am 23.12.2024.

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