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Naville Geiriseb
Projektleiter Internationale Zusammenarbeit
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Christian Hochfeld
Direktor
Warum Afrika eine Ära des Verbrennungsmotors überspringen könnte
Afrikanische Länder steigen vom Verbrennungs- auf den Elektromotor um. Mit den richtigen Investitionen kann Deutschland diese Entwicklung unterstützen und gleichzeitig einen vielversprechenden Markt für resiliente Lieferketten aufbauen – zum gemeinsamen Nutzen.
Von Naville Geiriseb, Projektleiter Internationale Zusammenarbeit und Christian Hochfeld, Direktor Agora Verkehrswende
Afrika ist der Kontinent zukünftigen Wachstums – auch im Straßenverkehr. Die derzeit niedrige Motorisierungsrate (42 Kfz pro 1.000 Einwohner) wird Prognosen zufolge in den kommenden 20 Jahren um das Zehnfache ansteigen. Der Kfz-Markt des Kontinents ist bislang geprägt von importierten Gebrauchtfahrzeugen aus anderen Teilen der Welt. Der globale Boom der Elektromobilität bietet afrikanischen Staaten jedoch zukünftig Möglichkeiten, eigene Ressourcen zu nutzen, eine Automobilindustrie aufzubauen und transformatives Wirtschaftswachstum voranzutreiben.
Afrika könnte eine flächendeckende Motorisierung mit fossilen Verbrennern überspringen und direkt in eine Ära der klimaneutralen Mobilität steuern. Elektrofahrzeuge gewinnen in afrikanischen Städten bereits zunehmend an Bedeutung. Im öffentlichen Verkehr finden immer mehr elektrische Motorräder, aber vor allen Dingen Elektrobusse den Weg auf die Straße. Afrikas erstes vollständig mit Solarstrom betriebenes Bus Rapid Transit System (BRT) wurde dieses Jahr in Dakar, Senegal, in Betrieb genommen. Nairobi, Kairo, Kigali und Kapstadt haben E-Busse eingeführt; in Lagos und Johannesburg sind Pilotprojekte geplant.
Elektromobilität bietet wirtschaftliche Chancen
Eine geringere Abhängigkeit von Kraftstoffimporten wäre für viele Länder ein wichtiger Vorteil. Die jährlichen Brennstoffimporte Äthiopiens werden auf 5 Mrd. US-Dollar geschätzt, die Nigerias auf 3,7 Mrd. USD (2024) und die Kenias auf 4,8 Mrd. USD (2023). Die lokalen Kosten für Mobilität liegen deutlich über dem weltweiten Durchschnitt. Das bremst die Wirtschaft.
Afrikanische Regierungen bemühen sich verstärkt, Wertschöpfung im eigenen Land zu schaffen. Simbabwe, Namibia, Ghana und die Demokratische Republik Kongo haben in den vergangenen zwei Jahren die Ausfuhr von Rohmineralien verboten. Die Demokratische Republik Kongo verfügt über 50 Prozent der weltweiten Kobaltreserven, Simbabwe über 1,2 Prozent der weltweiten Lithiumreserven und Südafrika über 95 Prozent der Platinreserven. All diese Rohstoffe sind für die Produktion von Batterien für Elektroautos unerlässlich.
Unternehmen und Regierungen ergreifen die Initiative
Die mittlere Einkommensklasse auf dem Kontinent hat sich seit 2000 verdreifacht und wird voraussichtlich bis 2060 über 40 Prozent der Haushalte ausmachen. Mit den entsprechenden Investitionen könnte die Anzahl an E-Fahrzeugen die der Verbrenner in Rekordzeit überflügeln. Das ugandische Staatsunternehmen Kiira Motors stellt seit 2011 verschiedene Elektrofahrzeuge her. Das kenianische Unternehmen Basigo, gestartet 2022, hat ein Montagewerk für 30 Elektrobusse errichtet. Volkswagen, BYD und Ford geben in der Region grünes Licht für Investitionen in Elektrofahrzeuge. Die afrikanische kontinentale Freihandelszone wird bald die größte Freihandelszone der Welt sein und verspricht, sich zu einem florierenden Markt zu entwickeln.
Immer mehr Länder schaffen rechtliche Rahmenbedingungen für die Elektromobilität. Sieben Länder haben die Einfuhrzölle für E-Fahrzeuge auf den Bereich zwischen 0 und 25 Prozent gesenkt und langfristige Ziele für den Umstieg auf Elektromobilität festgelegt. Ghana, Mauritius, Marokko und Ruanda streben bis 2030 Anteile von E-Autos zwischen 10 und 30 Prozent an, während Uganda und Kap Verde 100 Prozent E-Fahrzeuge ab 2035 zum Ziel haben. Äthiopien hat Anfang des Jahres die Einfuhr von neuen und gebrauchten Verbrennerfahrzeugen verboten; in Ruanda werden ab Januar 2025 keine Motorräder mit Verbrennungsmotor mehr für den kommerziellen öffentlichen Verkehr neu zugelassen.
Deutschland als Partner für die Transformation
Für einen Automobilstandort wie Deutschland bietet Afrikas aufstrebender Markt für Elektromobilität viele Möglichkeiten. Gleichzeitig ist der Finanzierungsbedarf für die Transformation hin zu klimaneutralen Technologien in Afrika enorm und Industrieländer wie Deutschland stehen auch in der Verantwortung, mit Partnern aus Afrika gemeinsam in eine nachhaltigere Zukunft zu investieren. Beim German-African Business Summit (GABS) Anfang Dezember in Nairobi standen Wasserstoff, erneuerbare Energien und die Migration von Fachkräften im Mittelpunkt. Elektromobilität darf bei solchen Gelegenheiten nicht fehlen. Obwohl VW ankündigte, die lokale Montage von Verbrenner-, Elektro- und Hybrid-Fahrzeugen in Kenia bis zum Jahresende wieder aufzunehmen, wurde die Diskussion über die systemische Bedeutung der Elektromobilität für Afrika nicht geführt.
Deutschland wird nicht mehr lange die Chance haben, einen vielversprechenden Markt beim Aufbau resilienter Lieferketten und bei der Produktion von E-Fahrzeugen vor Ort zu unterstützen – zum beiderseitigen Nutzen. Die Bundesregierung kann durch Partnerschaften auf Regierungsebene und geeignete Anreize das Vertrauen der deutschen Industrie stärken und Unternehmen zu Investitionen und Kooperationsprojekten ermutigen. Dabei kommt es auch darauf an, schnell zu handeln. Denn bald schließt sich das Fenster für die, die glauben, der afrikanische Kontinent würde noch über Jahrzehnte dankbarer Abnehmer für gebrauchte und neue Verbrennerfahrzeuge bleiben.
Dieser Artikel ist erstmalig erschienen als Standpunkt im Africa.Table am 17.12.2024.
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