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Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 mindestens 15 Millionen E-Autos auf Deutschlands Straßen zu bringen. Ein Scheitern wäre mit hohen Kosten für Gesellschaft und Wirtschaft verbunden. Um endlich auf Kurs zu kommen, braucht es jetzt einen verbindlichen Aktionsplan der Politik – und dieser wäre auch mit knappen Kassen umsetzbar.
Politik und Wirtschaft tragen seit Jahren wie eine Monstranz vor sich her, man werde Deutschland zum Leitanbieter und Leitmarkt für Elektromobilität machen. So steht es auch im Koalitionsvertrag der amtierenden Bundesregierung. Als Messlatte für dieses Ziel gilt, „mindestens 15 Millionen vollelektrische Pkw bis 2030“ auf die Straße zu bringen, mitsamt der dafür nötigen Ladeinfrastruktur. Darauf schworen sich die Spitzen aus Politik und Wirtschaft zuletzt einvernehmlich bei einem Treffen Ende November im Bundeskanzleramt ein.
Bis 2030: von drei neu zugelassenen Pkw sind zwei vollelektrisch
Doch das 15-Millionen-Ziel wird nicht dadurch erreicht, dass es gesetzt wird. Was seit dem Amtsantritt fehlt, sind wirksame Instrumente. Denn immer deutlicher zeichnet sich ab, dass die bisherigen Rahmenbedingungen nicht ausreichen. Um den Absatz zu fördern, setzte die Bundesregierung bis vor Kurzem vor allem auf steuerfinanzierte Kaufprämien. Mittlerweile hat sie selbst das wegen der Haushaltslage vorzeitig beendet. Aktuell sind etwa 1,3 Millionen vollelektrische Pkw in Deutschland zugelassen.
Ein simples Rechenbeispiel macht deutlich, wie groß die Herausforderung ist: Geht man von einem konstant bleibenden Pkw-Absatz in Deutschland aus, werden in den sieben Jahren bis einschließlich 2030 insgesamt etwa 21 Millionen Pkw neu zugelassen. Um 15 Millionen E-Autos bis 2030 auf der Straße zu haben, braucht es noch rund 14 Millionen Neuzulassungen vollelektrischer Fahrzeuge. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass nicht mehr als sieben Millionen Verbrennerfahrzeuge zulässig sind. Zwei von drei Neuzulassungen müssten also ab jetzt elektrisch sein. 2023 lag der Marktanteil von E-Pkw bei 18 Prozent.
Aktionsplan mit CO2-orientierter Finanzreform
Es entscheidet sich heute, ob das 15-Millionen-Ziel noch erreicht werden kann. Zuletzt hat der Expertenbeirat des Bundesverkehrsministeriums die zehn wirkungsvollsten Instrumente zusammengetragen und bewertet: von erneuten Kaufprämien über eine stärker CO2-orientierte Besteuerung von Kfz, Dienstwagen und Kraftstoffen bis zu Mindestquoten für E-Pkw und einen forcierten Ausbau der Ladeinfrastruktur.
Aufgabe der Bundesregierung wäre es jetzt, diese Instrumente in einen verbindlichen Aktionsplan zu übertragen. Sinnvoll wäre dabei ein Zug-um-Zug-Modell, aufbauend auf einer engmaschigen Beobachtung des Pkw-Marktes. Die erste Stufe des Plans müsste sofort greifen, weil die bisherige Marktentwicklung eindeutig nicht ausreicht. Werden die Zwischenziele künftig eingehalten, sind keine zusätzlichen politischen Instrumente notwendig. Wird ein Zwischenschritt nicht erreicht, ergreift die Bundesregierung vorher festgelegte Maßnahmen – zum Beispiel eine stufenweise Reform der Dienstwagenbesteuerung und der Kfz-Steuer. Laut Expertenbeirat sind diese beiden Steuerungsinstrumente unverzichtbar, wenn das Ziel noch erreicht werden soll.
Bei der Dienstwagenbesteuerung würde zum Beispiel der pauschal zu versteuernde geldwerte Vorteil von bisher einem Prozent des monatlichen Listenpreises auf 1,5 Prozent angehoben werden. Für effiziente E-Autos könnte zunächst weiterhin ein günstigerer Pauschalsatz gelten. Die Kfz-Steuer ließe sich auf die Erstzulassung konzentrieren und stärker nach CO2-Emissionen und Fahrzeuggröße differenzieren. Höhere Steuereinnahmen bei Neufahrzeugen mit hohen Emissionen können dafür verwendet werden, Kaufzuschüsse für effiziente Elektrofahrzeuge zu finanzieren. Die angespannte Haushaltslage kann also kein Grund sein, den Markthochlauf der Elektromobilität nicht weiter zu unterstützen.
Klimapolitik für mehr Wettbewerbsfähigkeit
Die wirtschaftlichen Vorteile einer solchen Politik liegen auf der Hand: mehr Wettbewerbsfähigkeit der Automobilwirtschaft, krisenfeste Industriearbeitsplätze, zukunftsorientierte Forschung und Entwicklung und auch mehr Steuergerechtigkeit. Das Rennen um den Pkw-Antrieb der Zukunft ist längst entschieden – für die elektrische Batterie. Hersteller und Zulieferer, die langfristig bestehen wollen, haben ihre Strategie darauf ausgerichtet.
Diskussionen, die so tun, als hätten Verbrennungsmotoren in Pkw in der Breite eine Zukunft, wirken wie süßes Gift für Unternehmen, deren Geschäftsmodell noch am Verbrennungsmotor hängt. Der Verweis auf E-Fuels führt in die Irre, weil diese teure und energieintensive Technologie dort gebraucht wird, wo es auf absehbare Zeit keine klimaneutrale Alternative gibt, also vor allem im Schiff- und Flugverkehr sowie in Teilen der Industrie. Für Verbrenner-Pkw wird es bis auf Weiteres keine nennenswerten Mengen an E-Fuels zu erschwinglichen Preisen geben.
Hinzu kommen weitere wirtschaftliche Konsequenzen der Klimapolitik. Ohne die 15 Millionen E-Pkw wird Deutschland das Klimaziel im Verkehrssektor für 2030 verfehlen. Allein dadurch kommen milliardenschwere Strafzahlungen im Rahmen der EU-Regulierungen auf Deutschland zu. Auch das nationale Klimaziel 2030 wäre kaum zu halten, weil die anderen Sektoren nicht ausreichend Spielraum für zusätzliche CO2-Reduktionen haben werden.
Der Hochlauf der Elektromobilität kann ein Schlüsselprojekt für eine Politik sein, die klima- und wirtschaftspolitischen Weitblick mit sozialem Ausgleich und dem Erhalt von Freiheitsrechten verbindet. Dafür brauchte es eine Bundesregierung, die diesen Kurs ohne Angst vor der eigenen Courage verfolgt – bevor das 15-Millionen-Ziel außer Reichweite liegt.
Dieser Text erschien zuerst am 21.02.2024 bei Table.Media: https://table.media/esg/standpunkt/wie-die-verkehrswende-noch-gelingen-kann/
Zu den Autor:innen
Christian Hochfeld ist Direktor von Agora Verkehrswende, Mitglied des Expertenkreises Transformation der Automobilwirtschaft (ETA) des Bundeswirtschaftsministeriums und Teilnehmer der Strategieplattform „Transformation der Automobil- und Mobilitätswirtschaft“ der Bundesregierung.
Wiebke Zimmer ist stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende und
Mitglied des Expertenbeirats Klimaschutz in der Mobilität (EKM) des
Bundesverkehrsministeriums.
Alle Beiträge von Christian Hochfeld, Dr. Wiebke Zimmer
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