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Format
Hintergrundpapier
Date
10. Juni 2024

Argumente für den Einsatz von Scan-Fahrzeugen in Deutschland

Wie eine Gesetzesgrundlage für digital unterstütztes Parkraummanagement im öffentlichen Interesse begründet werden kann

Einleitung

Das vorliegende Hintergrundpapier erörtert die Bedenken zum Einsatz von Scan-Fahrzeugen. Hierfür wurden zwei erfahrene Rechtsexperten eingebunden: Prof. Dr. jur. Dieter Müller, Professor für Verkehrsrecht mit Verkehrsstrafrecht an der Hochschule der Sächsischen Polizei und wesentlich beteiligt an der Einführung der sogenannten Abschnittskontrolle in Niedersachsen, sowie Prof. Dr. jur. Stefan Klinski, ehemaliger Richter am Verwaltungsgericht Berlin und Dozent an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Die Zusammenarbeit ermöglichte einen Vergleich von Scan-Fahrzeugen mit der Lkw-Maut, der Abschnittskontrolle und anderen Fällen, in denen bereits heute Bild- und Videoauswertung im Verkehrsbereich zur Anwendung kommen. Zudem widmet sich das vorliegende Papier der Frage, ob der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 2018 zur Kennzeichenerfassung für Fahndungszwecke auf Scan-Fahrzeuge anzuwenden ist.

Insgesamt zeigt sich auch nach eingehender Prüfung der Gegenargumente: Der Einsatz von Scan-Fahrzeugen ist grundsätzlich rechtlich möglich. Wir hoffen, mit unseren Argumentationsvorschlägen die politische Debatte um eine gesetzliche Regelung weiter voranzubringen – sei es im Bund oder in den Ländern.

Kernergebnisse

  1. Unzureichende Parkkontrollen schaden der Allgemeinheit.

    Der ruhende Verkehr wird heute in Deutschland oft nur unzureichend kontrolliert. Parkverstöße blieben häufig unentdeckt, weil es an Personal fehlt. Das schadet nicht nur dem Rechtsstaat, sondern auch der Sicherheit und der Ordnung des Verkehrs. Außerdem entgehen den Kommunen wichtige Einnahmen aus den Parkgebühren.

  2. Die positiven Effekte von Scan-Fahrzeugen begründen ein bedeutendes öffentliches Interesse an deren Einsatz.

    Scan-Fahrzeuge ergänzen die bisherige Parkraumkontrolle, indem sie wesentliche Schritte beim Erfassen und Abgleichen von Parkberechtigungen digitalisieren. Dadurch kann das vorhandene Personal deutlich effektiver eingesetzt werden. In der Folge sind Parkplätze öfter verfügbar, es gibt weniger Parkverstöße und höhere Einnahmen für die Kommunen. Durch die größere Regelbeachtung geht auch die Zahl der Bußgeldverfahren zurück.

  3. Eine datenschutzkonforme Rechtsgrundlage für Scan-Fahrzeuge in Deutschland ist möglich.

    Damit Scan-Fahrzeuge in deutschen Kommunen eingesetzt werden können, braucht es eine Rechtsgrundlage, die unter anderem den Datenschutz regelt. Dass dies grundsätzlich möglich ist, wird häufig mit Verweis auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) von 2018 zur automatisierten Kontrolle von Autokennzeichen bei der sogenannten Schleierfahndung bezweifelt. Da sich der Beschluss jedoch auf die gezielte Suche nach Personen oder Sachen bezieht, dürfte eine Übertragbarkeit der darin vom BVerfG entwickelten Maßstäbe auf den Einsatz von Scan-Fahrzeugen nahezu ausgeschlossen sein.

  4. Mögliche Klagen gegen eine Rechtsgrundlage sollten nicht als Hindernis betrachtet werden, sondern können zu mehr Klarheit beitragen.

    Selbst wenn man annehmen würde, dass der Beschluss des BVerfG von 2018 wider Erwarten auch auf den Einsatz von Scan-Fahrzeugen für die Parkraumkontrolle anzuwenden ist, gäbe es keinen Anlass, die Arbeit an einer Gesetzesgrundlage aufzuschieben. Denn bei allen vom BVerfG erwähnten Maßstäben zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit liegt die Eingriffsintensität bei einer Parkraumkontrolle deutlich niedriger als bei einer Schleierfahndung. Der Einsatz von Scan-Fahrzeugen für die Parkraumkontrolle ist in jeder Hinsicht verhältnismäßig. Klagen gegen neue gesetzliche Regelungen für Innovationen sind grundsätzlich nicht unüblich. Auch Anwendungsfälle von Scan-Fahrzeugen im Ausland wurden anfänglich vor Gericht behandelt – und damit auch juristisch abgesichert.

  5. Ähnliche Technologien zur Kennzeichenkontrolle werden in Deutschland bereits zu vergleichbaren Zwecken der Verkehrsüberwachung erfolgreich eingesetzt.

    Die Verwendung von Kennzeichenerfassung für Parkkontrollen entspräche der üblichen Praxis, etwa bei der Lkw-Maut oder der sogenannten Abschnittskontrolle, würde aber in der Regel weniger Daten benötigen. Allen bereits heute stattfindenden Kennzeichenkontrollen ist gemeinsam, dass sie nicht mit der sogenannten Schleierfahndung vergleichbar sind. Die Maßstäbe des BVerfG-Beschlusses von 2018 kommen bei ihnen nicht zur Anwendung. Dennoch wird der Datenschutz gewährleistet.

  6. Eine Gesetzesgrundlage kann sowohl vom Bund als auch den Ländern geschaffen werden.

    Eine bundesweite Regelung würde einheitliche Regeln in Deutschland schaffen. Aufgrund der Dringlichkeit, die aus der Personalnot und den Gefährdungen im ruhenden Verkehr entstehen, empfiehlt Agora Verkehrswende jedoch den Ländern, den Einsatz von Scan-Fahrzeugen im Landesrecht zu ermöglichen, sollte der Bund nicht tätig werden. Auch die Kennzeicheneingabe am Parkscheinautomaten – eine wesentliche Voraussetzung für die Digitalisierung der Parkraumkontrolle – kann auf Landes- oder Kommunalebene geregelt werden.

Bibliographische Daten

Autor:innen
Wolfgang Aichinger, Agora Verkehrswende; Prof. Dr. jur. Dieter Müller, Halle (Saale); Prof. Dr. jur. Stefan Klinski, Berlin
Versionsnummer
1.0
Veröffentlichungsdatum

10. Juni 2024

Seitenzahl
36
Zitiervorschlag
Agora verkehrswende (2024): Rechtliche Voraussetzungen für den Einsatz von Scan-Fahrzeugen in Deutschland. Wie eine Gesetzesgrundlage für digital unterstütztes Parkraummanagement im öffentlichen Interesse begründet werden kann
Projekt
Diese Publikation wurde erstellt im Rahmen des Projektes Prozesse und Kommunikation beim Parkraummanagement.

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