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Der Pendelverkehr spielt eine Schlüsselrolle auf dem Weg zu einer klimaneutralen Mobilität in Deutschland.
Die Wege zwischen Arbeits- und Wohnort belasten Mensch, Umwelt, Klima und Infrastruktur in besonderem Maße. Sie sind für ein Fünftel des gesamten Personenverkehrs verantwortlich. Der Autoanteil liegt dabei deutlich höher als in anderen Verkehrsbereichen (74 Prozent der zurückgelegten Kilometer), die Fahrzeuge sind besonders gering ausgelastet (1,075 Personen je Auto). Seit 1976 haben sich die mittleren Pendeldistanzen fast verdoppelt, von gut 8 auf 16 Kilometer. Knapp 20 Millionen Menschen arbeiteten 2020 nicht in der Gemeinde, in der sie wohnen – 30 Prozent mehr als im Jahr 2000. Eine Trendumkehr ist auch infolge der Corona-Pandemie aktuell nicht absehbar.
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Investitionen der Kommunen in Alternativen zum privaten Pkw sind dann wirksam, wenn überholte Privilegien des Autoverkehrs abgebaut werden.
Allein mit guten Verbindungen per Bus, Bahn oder Fahrrad lässt sich der Autoanteil kaum reduzieren. Fortschritte bei der Verlagerung der Mobilität werden schnell durch zusätzlichen Pkw-Verkehr aufgehoben. Überholte Privilegien des Autoverkehrs behindern die Transformation und gehen auf Kosten der Allgemeinheit. Mit Rückendeckung des Bundes können Kommunen vor Ort viel dafür tun, die Nutzungskosten und Reisezeiten der Verkehrsmittel anzugleichen – etwa durch Parkraummanagement, Tempolimits und Vorfahrtsregelungen. Im Rahmen einer bundesweiten, verursachergerechten Pkw-Maut könnten Kommunen Gebühren für besonders belastete Straßen erheben (Anti-Stau-Gebühr) und die Einnahmen für Investitionen in Alternativen zum privaten Pkw nutzen.
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Integrierte Planung ermöglicht eine nachhaltigere Gestaltung des Pendelverkehrs.
In der kommunalen Praxis bedarf es der Integration zahlreicher Faktoren: Planungs- und Verwaltungsebenen vom Bundesland bis zur Kommune, Akteure von Bürger:innen mit unterschiedlichen Mobilitätsroutinen bis zu Mobilitätsanbietern und Bauunternehmen, Verkehrsmittel vom Auto bis zum Fahrrad und Ziele wie Sicherheit, Aufenthaltsqualität, Klima- und Umweltschutz sowie Verkehrsfluss. Verschiedene Planungskonzepte greifen den Integrationsgedanken auf, zum Beispiel Verkehrsentwicklungspläne und Sustainable Urban Mobility Plans (SUMP).
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Regionale Netzwerke erlauben Kommunen die nachhaltigere Gestaltung des Pendelverkehrs über Gemeindegrenzen hinweg.
Die Ströme des Pendelverkehrs sind regional ungleich verteilt. Ob sich etwas verbessert, hängt oft von der Belastung vor Ort oder vom Engagement einzelner Akteure ab. Nationale Vorgaben für das Erstellen von Pendelverkehrskonzepten in besonders betroffenen Regionen und das Einstellen von Mobilitätsverantwortlichen ab einer bestimmten Gemeindegröße könnten die Entwicklung voranbringen. Um Ziel- und Interessenkonflikte beizulegen, ist entscheidend, dass sich die Kommunen in regionalen Netzwerken entlang der wichtigsten Pendelströme zwischen Städten und Umland austauschen und Pläne zusammenführen. Das gilt umso mehr, je stärker die regionalen Netzwerke mit Entscheidungskompetenz und Ressourcen ausgestattet werden.
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Der Bund kann mit einer Reform der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen die Wende im Pendelverkehr anstoßen.
Entscheidend ist es dafür, Klimaneutralität, Verkehrsverlagerung und soziale Ausgewogenheit als übergeordnete Leitlinien zu verfolgen. Wichtige Hebel des Bundes sind die Planung und Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur (Bundesverkehrswegeplan, Mautsysteme), die Steuern, Abgaben und Subventionen im Straßenverkehr (Entfernungspauschale, Kfz-Steuer, Dieselprivileg, Dienstwagenprivileg) sowie die Einbindung der Unternehmen (Recht auf Homeoffice). Der Bund kann die Kommunen stärken, indem er ihnen im Straßenverkehrsrecht (StVG, StVO) mehr Entscheidungsfreiheit gewährt und den Ausbau des ÖPNV langfristig finanziell sichert (Regionalisierungs- und GVFG-Mittel).
Wende im Pendelverkehr
Wie Bund und Kommunen den Weg zur Arbeit fairer und klimagerechter gestalten können
Einleitung
Über Jahrzehnte hat die Politik mit der Entfernungspauschale und weiteren Anreizen wie dem Dienstwagenprivileg dazu beigetragen, dass Menschen immer längere Arbeitswege in Kauf nehmen und diese vorrangig allein mit dem privaten Pkw zurücklegen. Pendler:innen brauchen von der Politik einen Plan, wie sie zukünftig klimafreundlich zur Arbeit kommen können – im Einklang mit Deutschlands Weg zur Klimaneutralität.
In dieser Studie haben wir zusammen mit dem Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS) untersucht, was Bund und Kommunen tun können, um eine grundlegende Trendwende im Pendelverkehr einzuläuten. Es gibt viele Möglichkeiten, vor Ort etwas zu verbessern – vom Ausbau des öffentlichen Verkehrs über mehr Homeoffice bis zur Einführung von Tempo 30 und Parkraummanagement –, aber diese werden noch lange nicht ausgeschöpft. Ein Grund dafür ist, dass der Bund den Kommunen mit den bestehenden Rahmenbedingungen weitreichendere Entscheidungsfreiheiten verwehrt. Auch die administrativen Zuständigkeiten für Planungs- und Finanzierungsinstrumente decken sich häufig nicht mit den tatsächlichen Verkehrsbeziehungen. ÖPNV-Angebote, Siedlungsplanung und Konzepte zur Verkehrssteuerung enden noch viel zu oft an der Stadtgrenze. Die Kooperation von benachbarten Gemeinden und Kreisen ist notwendiger denn je.
Die Wende im Pendelverkehr gehört weit nach oben auf die politische Agenda – bei der Bundesregierung genauso wie in den Kommunen und Regionen. Unsere Studie kann hoffentlich dazu beitragen, die Potenziale und Instrumente zu erkennen, um umgehend die Initiative zu ergreifen.
Kernergebnisse
Bibliographische Daten
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Wende im Pendelverkehr
Wie Bund und Kommunen den Weg zur Arbeit fairer und klimagerechter gestalten können
Grafiken aus dieser Publikation
Aufteilung des Verkehrsaufwands auf Zwecke
Von Wende im Pendelverkehr auf Seite 1
Radschnellweg RijnWaalPad zwischen den 18 Kilometer voneinander entfernten.Arnhem und Nijmegen (Niederlande)
Von Wende im Pendelverkehr auf Seite 13
Projektleitung
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Philipp Kosok
Projektleiter Öffentlicher Verkehr