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Pressemitteilung
Date
15. Juni 2023

StVG-Reform schafft Fundament für bessere Mobilität und lebenswerte Städte

Kommunen können mit mehr Entscheidungsfreiheit die Verkehrswende vor Ort gestalten / Klimaschutzgesetz und Klimaschutzprogramm verschieben aber Emissionsminderung im Verkehr weiter in die Zukunft / Statement von Agora Verkehrswende

Berlin, 15. Juni 2023. Zum heute vorgelegten Referentenentwurf einer Reform des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) sowie zu den Entwürfen einer Novelle des Klimaschutzgesetzes und eines Klimaschutzprogramms 2023 sagt Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende:

„Mit dem Entwurf für eine StVG-Reform schafft die Bundesregierung nach langem Zögern endlich das Fundament für alle Kommunen, die die Mobilität bei sich vor Ort verbessern und den öffentlichen Raum lebenswerter gestalten wollen. Hunderte Städte und Gemeinden in ganz Deutschland warten auf diesen Modernisierungsschub. Sie bekommen damit mehr Entscheidungsfreiheit und Handlungsspielräume, um zum Beispiel leichter Busspuren und Radwege einzurichten, das Parken im öffentlichen Raum in geregeltere Bahnen zu lenken oder den Straßenverkehr für alle sicherer zu machen. Das alles wird möglich, wenn das StVG – wie jetzt von der Bundesregierung vorgeschlagen – neben der ‚Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs‘ auch gleichberechtigt die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung aufnimmt.

Der Entwurf ist ein wichtiger Schritt auf einem längeren Weg. Jetzt kommt es darauf an, dass die Gleichwertigkeit der Ziele im weiteren Gesetzgebungsprozess erhalten bleibt, auch im Bundesrat, und dass später die Straßenverkehrsordnung (StVO) im Sinne des neuen StVG angepasst wird. Denn die StVO folgt im Moment noch den überholten Regeln, wonach im Zweifel immer die ‚Leichtigkeit‘ des Autoverkehrs den Vorrang hat. Jedes Abweichen von diesem Prinzip bedurfte bisher aufwändiger und kleinteiliger Begründungsverfahren. Selbst wenn es um die Verkehrsberuhigung im Umfeld einer Schule oder eines Kindergartens ging, konnten diese Verfahren scheitern. Bei der Reform der StVO werden das Bundesverkehrsministerium und die Bundesländer eine zentrale Rolle spielen.

Die Politik sollte sich parteiübergreifend auf diese Reform einigen können. In der kommunalen Initiative für lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten, die seit zwei Jahren für eine Reform des Straßenverkehrsrechts wirbt, sind Städte mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern aus einem breiten Parteienspektrum vertreten, von CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP bis zu Parteilosen und Sonstigen. Die Reform zahlt auf viele Werte ein: Sie ist sozial, weil sie den öffentlichen Verkehr und die Verkehrssicherheit für besonders Schutzbedürftige stärkt; sie ist wirtschaftlich effizient und baut Bürokratie ab, weil sie Planungs- und Genehmigungsprozesse verschlankt; sie stärkt den Umwelt- und Klimaschutz, weil sie Mobilität mit Bus, Bahn, Fahrrad, geteilten Fahrzeugen oder zu Fuß stärkt; schließlich kommt sie dem Einzelhandel und den Kommunen insgesamt zugute, weil sich mit ihr das Mobilitätsangebot und die Lebensqualität im öffentlichen Raum für alle verbessern lassen.“

Verkehrssektor ist noch nicht auf Klimakurs

Mit Blick auf das Klimaschutzgesetz und das Klimaschutzprogramm fügt Hochfeld hinzu: „In der Gesamtschau der jetzt angeschobenen Gesetzgebungsverfahren ist die Deutschlandflotte allerdings noch nicht geschlossen auf Kurs in Richtung Klimaneutralität. Das Schiff des Verkehrssektors fällt zurück und konnte gerade mal zwei kleinere Segeln setzen: die Reform des Straßenverkehrsrechts und die Erhöhung der Lkw-Maut mit Verwendung der Einnahmen für den Schienenverkehr. Das Segel der Elektromobilität am Großmast flattert weiterhin lose im Wind; für den öffentlichen Verkehr müsste eine neues und viel größeres Segel gesetzt werden.

Die Novelle des Klimaschutzgesetzes wird dazu führen, dass der Verkehrssektor weiter seine Klimaziele verfehlt und damit die Verantwortung für die Emissionsminderung weiter in die Zukunft verschiebt. Denn mit dem jetzt vorgelegten Entwurf eines Klimaschutzprogramms wird Deutschland im Verkehrssektor selbst nach Berechnungen der Bundesregierung bis 2030 einen Emissionsüberschuss von bis zu 175 Millionen Tonnen CO2 anhäufen. Ein neues Klimaschutzprogramm wird nach dem neuen Klimaschutzgesetz wohl frühestens in zwei Jahren fällig. Damit zieht sich die aktuelle Bundesregierung aus der Daseinsfürsorge zurück und gefährdet die Freiheit junger und kommender Generationen. Wahrscheinlich wird nach neuer Gesetzeslage erst nach der Bundestagswahl eine neue Bundesregierung das nächste Klimaschutzprogramm umsetzen müssen.

Dringend notwendige Instrumente und Maßnahmen im Verkehrssektor bleiben unangetastet. Für den Hochlauf der Elektromobilität und zum Erreichen des Ziels, 15 Millionen vollelektrische Pkw auf die Straße zu bringen, bräuchte es vor allem einen Abbau von sozial ungerechten und klimaschädlichen Verbrenner-Subventionen, von Dienstwagenprivileg und Dieselprivileg bis Kfz-Steuer. Zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs müsste ein langfristig verlässlicher Ausbau der Investitionen und des Angebots angeschoben werden; allein durch das Deutschlandticket wird die Verlagerung von privatem Autoverkehr auf den öffentlichen Verkehr nicht gelingen.

De facto läuft die Entwicklung auf einen Widerspruch mit dem Grundgesetz hinaus. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss von April 2021 unmissverständlich deutlich gemacht, dass die Bundesregierung die Pflicht hat, die Verschiebung der Emissionsminderungslast in die Zukunft zu verhindern und so die Freiheitsrechte künftiger Generationen zu schützen.“

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